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Vor 1918
Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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341Die Wandlungen im Verhältnis von Glaube und Gewalt vier Aspekten festmacht: Gewalt (i) hatte nicht länger die Form von »sacri- ficial massacre and bodily mutilation«, (ii) war statt interkonfessionell eher im Bereich katholisch-antiklerikaler Begegnungen zu situieren, (iii) trat nur noch in vereinzelten und oft ländlichen Regionen auf und wurde dort vor allem von Frauen verübt, sowie (iv) war eng mit sozialer und politischer Gewalt verknüpft 7. Abgesehen davon, dass Ford die Revolution als End- punkt frühneuzeitlicher Gewaltpraktiken wahrnimmt und folglich stärker auf eine Zäsur um 1800 drängt als der vorliegende Band das zu tun vermag, erweist sich ihr eher linear gedachtes Modell als problematisch8. Glaube und Gewalt konnten auch im 19.  Jahrhundert wirkmächtige Beziehungen formen. Sie zeugen erstens von einer Verlagerung der Gewaltakte vom politischen Zentrum in ländliche Regionen und in den Kolonien. Zweitens lassen sie eine zunehmende Distanzierung der Laien vom Klerus erkennen. Zudem lassen die Beziehungen von Glaube und Gewalt eine neue synkretistische Gewalt semantik erkennen, die vom demokratischen Zeitalter geprägt war, gleichzeitig aber auf historische Vorgänge und Semantiken religionsbezoge- ner Konflikte verwies. Viertens manifestieren sich in ihnen eine enge Ver - flechtung religiöser und säkularer Differenzen. Wie passen die Fallstudien in diesem Band zu den Theorien über »religiöse Gewalt«, die in der Einleitung vorgestellt wurden? Während viele Ansätze das Verhältnis von Glaube und Gewalt eher monokausal erklären, zeigen die hiesigen Kapitel, dass die historische Realität widerspenstig war. So kön- nen die hier vorgestellten Beispiele mit unterschiedlichen  – und, abhängig von der jeweils betrachteten Akteursgruppe, oft auch mehreren  – Theo- rien verknüpft werden. Schaut man sich die antisemitische Gewalt in Gali- zien Ende des 19.  Jahrhunderts an, kann diese im Sinne von René Girards Sündenbocktheorie interpretiert werden; demnach versuchten Katholiken 7 Vgl. Caroline Ford, Violence and the Sacred in Nineteenth-Century France, in: French Historical Studies 21 (1998), H.  1, S.  101–112, hier S.  105. 8 Das zeigt sich bereits bei der Genderfrage. Ford spricht von einer »Feminisierung« von religionsbezogener Gewalt im 19.  Jahrhundert. Wie ich andernorts gezeigt habe, waren allerdings auch in Frankreich Männer weiterhin oft an physischen Wider- standsaktionen beteiligt; vgl. Eveline G. Bouwers, Challenging the Republic from the Provinces. An Analysis of Crowd Action after the French Separation Law (1905), in: Immigrants & Minorities 35 (2017), H.  3, S.  157–176, hier S.  166–169. Wie bereits die klassische Protestforschung gezeigt hat, neigten Frauen öfter dazu, symbolisch gewalttätig zu agieren (z.B. indem sie Fahnen zerrissen), Gewalt zur Verbesserung ihrer Existenz zu nutzen (Plünderung von Lebensmitteln) oder zu Gewalt aufzu- fordern; vgl. Carola Lipp, Frauenspezifische Partizipation an Hungerunruhen des 19.  Jahrhunderts. Überlegungen zu strukturellen Differenzen im Protestverhalten, in: Manfred Gailus / Heinrich Volkmann (Hg.), Der Kampf um das tägliche Brot. Nahrungsmangel, Versorgungspolitik und Protest 1770–1990, Opladen 1994, S.  200– 213. Problematisch am Ford’schen Modell ist auch die Engführung auf Gewalt im christlichen Bereich, was die Gewalt gegenüber Juden oder Muslimen außen vorlässt.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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