Seite - 19 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Bild der Seite - 19 -
Text der Seite - 19 -
19
Theoretische Verortung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
durch wiederholte Zuschreibungen und performative Handlungen wird
er zum Geschlechtskörper.
Einen zentralen Stellenwert bei der Unterscheidung von Menschen
in Frauen und Männer nimmt nach dieser These die heterosexuelle
Normierung des Begehrens ein. Heterosexualität bildet jenes » Raster ( .)
der kulturellen Intelligibilität, durch das die Körper, Geschlechtsidenti-
täten und Begehren naturalisiert werden « 60. Zwischen Geschlechterdif-
ferenz und Heterosexualität wird ein konstitutiver Zusammenhang an-
genommen. Kulturelle Intelligibilität hängt davon ab, dass aus einem
bestimmten anatomischen Geschlecht eine bestimmte Geschlecht-
sidentität sowie die entsprechende gegengeschlechtliche Praxis und ge-
gengeschlechtliches Begehren folgen. So wurden unter dem Topos der
» konträren Sexualempfindung « auch sexuelle Beziehungen zwischen
Menschen des gleichen Geschlechts diesem Komplementaritätsdenken
einverleibt, um fassbar zu sein:
» Sie wurden als Verbindung von butch und femme, Tunte und
Mann konzipiert und das diese Beziehung als Typus symbolisie-
rende Individuum als › invertiert ‹ oder › zwischengeschlechtlich ‹:
wenn Männer und Frauen so grundverschiedene Eigenschaften
haben und aufeinander verwiesen sind, dann ist Frauen zu lie-
ben eine männliche Eigenschaft. Homosexuellen wurde ein › Irr-
tum ‹ unterstellt, weil in diesem komplementären Denken ein
anderes Begehren keinen Sinn machte ( und machen durfte ). « 61
Butlers Thesen der diskursiven Vermittlung des biologischen Ge-
schlechts, der heterosexuellen Ordnung und des Körpers leiteten eine
Entwicklung ein, die in der Historiographie der Gender Studies auch als
linguistic turn bezeichnet wird: 62 Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass
sich der Zugang zu ( unseren ) Körpern ausschließlich innerhalb und
durch Sprache vollzieht. Körperliche Erfahrungen lassen sich letztend-
lich nur sprachlich vermitteln – dies gilt im Besonderen für historische
60 Butler Judith, Unbehangen, Anm 6 zu Kapitel I.
61 Hirschauer Stefan, Die soziale Konstruktion der Transsexualität ( 1993 ) 83. Zur ge-
schlechterspezifischen Sexualisierung und zur Pahtologisierung des Geschlechtli-
chen vgl insb auch Eder Franz X. in Friedrich Margret / Urbanitsch Peter ( hg ), BĂĽrgern,
insb 30.
62 Vgl dazu auch Knapp Gudrun-Axeli, Give Sex, Gender and Sexuality more of a So-
ciety: Zur Standortbestimmung feministischer Theorie, Feministische Studien:
Neuer Feminismus ? 2008, 208 ( 210 ).
zurĂĽck zum
Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik