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Zu Terminologie und Typologien
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
D. » Gleichgeschlechtliche « Sexualität – Zu Terminologie
und Typologien
Historisch gesehen stellen sowohl » die Homosexualität « als auch » die
Homosexuellen « relativ junge Phänomene dar. Zu Beginn des in dieser
Arbeit untersuchten Zeitraums wiesen die Begriffe weder einen fest um-
rissenen Inhalt auf, noch waren sie allgemein gebräuchlich oder deck-
ten sich mit den – ohnehin eher spärlichen – Selbstbezeichnungen der
Betroffenen. Auch der Terminus » gleichgeschlechtlich « eignet sich nur
bedingt als Sammelbegriff fĂĽr Erscheinungen, deren historischer und
kultureller Kontext im Einzelnen stark divergiert. So konstatiert Leila
J. Rupp, dass zahlreiche Forschungsarbeiten unter der Bezeichnung
» gleichgeschlechtlich « ( sexuelle ) Phänomene zusammenfassen, in die
zwar zwei Körper mit den gleichen Genitalien involviert sind, für die
aber ein anderer Unterschied, wie etwa Alter, Klasse oder soziales Ge-
schlecht bedeutsamer ist als die » Gleichgeschlechtlichkeit «.87 Der von
Rupp kritisierten Verallgemeinerung entgeht die von Randolph Trum-
bach vorgeschlagene Typologie – zumindest in jenen Teilbereichen, in
denen sie auf Altersunterschiede und Unterschiede im sozialen Ge-
schlecht Bezug nimmt. Dementsprechend unterscheidet Trumbach
zwischen einem intergenerationellen Typus ( erwachsene Männer ver-
kehren mit jüngeren Männern ), einem intersexuellen Typus ( Männer
wie Frauen lösen sich aus ihrer zugewiesenen Geschlechterrolle und
nähern sich der Rolle des anderen Geschlechts ) und einem modernen
Typus ( Ich-Identität im Sinne Foucaults, entspricht dem modernen Ho-
mosexualitätskonzept ).88 In den rechtswissenschaftlichen Quellen wie
auch in den untersuchten Strafakten stößt man freilich auf eine große
Vielfalt gleichgeschlechtlicher Sexualitäten, die sich auch mit Hilfe der
Trumbachschen Typologie nur teilweise erfassen lassen. Nur bedingt
ins Schema scheinen jene gleichgeschlechtlichen Sexualakte zu passen,
die – wenigstens nach den Aussagen der Beteiligten – aus einer Gelegen-
heit heraus beziehungsweise aus Mangel an der Möglichkeit verschie-
dengeschlechtlicher Sexualität stattfanden, ohne dass ein signifikanter
87 Vgl Rupp Leila J., Toward a Global History of Same-Sex Sexuality, Journal of the
History of Sexuality 2001, 287 ( 287 f ). In ähnlicher Weise problematisiert Rupp auch
den Begriff » Sexualität «.
88 Vgl Trumbach Randolph, London’s Sodomites: Homosexual Behavior and Western
Culture in the 18 th Century, Journal of Social History 1977, 1; dazu auch Dobler Jens,
Duldungspolitik 16.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik