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Gang der Untersuchung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
die Natur wurden von juristischen und medizinischen » Experten « so-
wie von Laien und Laiinnen in Strafverfahren verhandelt.100 Das fĂĽnfte
Kapitel stellt die Entwicklung des Strafprozessrechts dar, insbesondere
die Entwicklungen nach 1918, die zur – zeitweisen – Einführung eines
vereinfachten Verfahrens, zur Schaffung von Schöffengerichten und ei-
ner eigenen Jugendgerichtsbarkeit fĂĽhrten.
Was im Rahmen eines Strafprozesses von wem gesagt werden
konnte, hing sowohl von den jeweiligen Prämissen des Strafverfahrens
als auch von deren konkreter Ausgestaltung durch die strafprozessua-
len Vorschriften ab. Strafverfahrensrechtliche Entwicklungen und po-
litischer Wandel beeinflussten Ablauf und Ausgang der Verfahren. Die
weiteren Kapitel der Untersuchung folgen im Aufbau dem Ablauf eines
Strafverfahrens und erlauben es damit, Sprechsituation und mögliches
Akteurshandeln im jeweiligen Verfahrensabschnitt nachzuvollziehen.
Das sechste Kapitel geht daher der Frage nach, wer welche Taten als un-
zĂĽchtig anzeigte, welche Kontrollmechanismen sich hierbei auswirkten
und inwiefern sie von Wohnort, Geschlecht und sozialem Status der An-
gezeigten abhingen. Welche Anzeigen weiterverfolgt, wie Beweise des
» Unzüchtigen « erhoben und welcher Wert ihnen beigemessen wurde,
wird im siebten Kapitel näher beleuchtet. Die Ergebnisse der einzel-
nen » Vorverfahren « hingen neben dem von der Rechtswissenschaft und
der Sexualwissenschaft bereitgestellten Wissen auch von sozialen und
politischen Veränderungen während der Zwischenkriegszeit ab. Bilder
100 Für die Angehörigen juristischer Berufe beziehungsweise der Strafverfolgungsbe-
hörden wird – entsprechend den historischen Verhältnissen – ausschließlich die
männliche Form verwendet. Obwohl Frauen 1918 als ordentliche Hörerinnen zu
den rechtswissenschaftlichen Studien zugelassen wurden, gab es tatsächlich bis
nach 1945 in Österreich weder Richterinnen noch Staatsanwältinnen, vgl Mattl Sieg-
fried, Zu Sozialgeschichte und Habitus österreichischer RichterInnen seit 1924, in
Helige Barbara / Olechowski Thomas ( hg ), 100 Jahre Richtervereinigung. Beiträge zur
Juristischen Zeitgeschichte ( 2007 ) 67 sowie die Beiträge in Bundesministerium für
Justiz ( hg ), Beiträge zum Thema » Die Juristin in der Justiz «. Tagung des Bundes-
ministeriums fĂĽr Justiz am 29. und 30. Oktober 1968 in der Justizschule Schwechat
( 1968 ). Dasselbe gilt fĂĽr die akademisch betriebene Rechtswissenschaft: Die erste
Berufung einer Frau auf einen rechtswissenschaftlichen Lehrstuhl in Ă–sterreich er-
folgte 1958, vgl FloĂźmann Ursula, Sibylle Bolla-Kotek, die erste Rechtsprofessorin an
der Universität Wien, in Heindl Waltraud / Tichy Marina ( hg ), » Durch Erkenntnis zu
Freiheit und Glück. « Frauen an der Universität Wien ( ab 1897 ) 2 ( 1993 ) 247. Von der
weitgehend nach militärischem Muster organisierten Gendarmerie und der Polizei
blieben Frauen gleichfalls bis in die Zweite Republik ausgeschlossen, vgl Hatschek
Christoph, Von der » wehrhaften « Frau zum weiblichen Rekruten – Entwicklungshis-
torische Perspektiven der österreichischen Soldatinnen ( 2009 ) 169, 179.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik