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Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
II. Vom Trieb zur Lust – Zur historischen
Verortung des § 129 I b StG 1852
A. Einleitung
Der Straftatbestand der » widernatürlichen Unzucht « kann in Österreich
auf eine lange Kodifikationsgeschichte zurückblicken, wobei sich der
Begriff » Unzucht « im 18. Jahrhundert allgemein als Bezeichnung für
Straftaten gegen die Sittlichkeit etablierte.103 In der Constitutio Crimi-
nalis Theresiana, der ersten einheitlichen, für alle österreichischen Er-
bländer 104 geltenden Strafrechtsordnung, umfasste der damals noch als
» Unkeuschheit wider die Natur « ( 2. Teil 74. Artikel » de sodomia, seu lu-
xuria contra naturam « ) umschriebene Straftatbestand eine Vielzahl von
Unzüchtigkeiten.105 Neben der » Unkeuschheit von einem Menschen mit
dem Viehe « ( Sodomie ) oder » toden Körpern « ( Nekrophilie ) stellte er die
103 Vgl Köbler Gerhard, Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte 5 ( 2009 ) 961.
104 Die Constitutio Criminalis Theresiana erging für die deutschen – das heißt, für die
königlich-böhmischen, nieder-, inner-, ober- und vorder-österreichischen – Erb-
lande.
105 Art 74. § 1. Das abscheulichste Laster der Unkeuschheit wider die Natur, oder so-
domitische Sünd wird verübt erstlich: wenn von einem Menschen mit dem Viehe,
oder toden Körpern; andertens: wenn zwischen Personen einerley Geschlechts,
als Mann mit Mann, Weib mit Weib, oder auch Weib mit Mann wider die Ord-
nung der Natur Unzucht getrieben wird; worzu drittens: gewissermassen auch die
von Jemanden allein begehend-widernatürliche Unkeuschheiten zu rechnen sind.
[ … ] § 6. [ … ] Erstlich: Ein dergleichen Uebelthäter, so sich mit ein- oder mehreren
unvernünftigen Viehe vergriffen, und die That vollbracht, samt dem Viehe, so es
anderst noch vorhanden, durch das lebendige Feuer von der Erde vertilget wer-
den. … Andertens: Ein Knabenschänder, oder aber da sonst ein Mensch mit dem
anderen sodomitische Sünd getrieben hätte, der solle anfangs enthauptet, und
nachfolgends dessen Körper samt dem Kopf verbrennet; und endlich Drittens: All-
übrige widernatürliche Unkeuschheiten willkührlich nach Gestalt der umständen
schärffer, oder gelinder gestraffet werden. Vgl dazu auch die Übersicht bei Domin-
Petrushevecz Alphons von, Neuere österreichische Rechtsgeschichte ( 1869 ) 75 f. Die
Todesstrafe wurde allerdings häufig im Gnadenwege umgewandelt, auch bei So-
domie ( 1774 sogar bei siebenmaliger Sodomie ), vgl Kwiatkowski Ernest von, Die
Constitutio Criminalis Theresiana. Ein Beitrag zur Theresianischen Reichs- und
Rechtsgeschichte ( 1903 ) 47 f.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik