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34 II. Vom Trieb zur Lust
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Unzucht » zwischen Personen einerley Geschlechts, als Mann mit Mann,
Weib mit Weib «, die Unzucht zwischen Mann und Frau » wider die Ord-
nung der Natur « und schlussendlich » die von Jemanden allein bege-
hend widernatürliche Unkeuschheiten « ( Onanie ) unter Strafe.106 Dabei
war die Unkeuschheit wider die Natur allen anderen Sittlichkeitsverbre-
chen vorangestellt.107
Die Constitutio Criminalis Theresiana wurde am 31. Dezember 1768
publiziert und trat mit 1. Jänner 1770 in Kraft. Sie übernahm die in den
ersten 54 Artikeln geregelte » peinliche Verfahrung « großteils aus der
Halsgerichtsordnung für Böhmen, Mähren und Schlesien Josephs I.
von 1707.108 Die » halsgerichtsmäßigen Verbrechen insonderheit und
deren Straffen « der 50 Artikel des zweiten Teils gaben fast wörtlich die
Landgerichtsordnung Ferdinands III. für Nieder- und Innerösterreich
von 1656 109 wieder. Die Pönalisierung des widernatürlichen Verkehrs
zwischen Mann und Frau wurde allerdings aus der josephinischen
Halsgerichtsordnung übernommen.110 Die Theresiana stellte noch kein
Strafgesetz der Aufklärung dar. Insbesondere in den Bestimmungen
über Religions- und Sittlichkeitsverbrechen wurde deutlich, dass es
dem Strafrecht nach wie vor um eine Ahndung » des Lasters und der
Sünde « zu tun war.111 Den geschlechtlichen Verfehlungen begegnete die
Theresiana mit größter Strenge, bei der Unzucht mit Tieren drohte als
Strafe der Feuertod, bei mit einem Menschen begangener Unzucht wi-
der die Natur Enthauptung und nachfolgende Verbrennung. Gegenüber
der gemeinrechtlichen Constitutio Criminalis Carolina, die unter » vn-
keusch, so wider die natur beschicht « lediglich die Sodomie und die
106 Zur steten Ausweitung des Tatbestandes vom Beginn der Neuzeit bis zur Theresi-
ana vgl die Übersicht bei Hellbling Ernst Carl, Strafrechtsquellen 123 ff.
107 Vgl dazu auch Senft Eduard, Österreichische Vierteljahresschrift für Rechts- und
Staatswissenschaft 1866, 208.
108 Neue peinliche Halsgerichtsordnung für das Königreich Böhmen, Markgrafentum
Mähren und Herzogtum Schlesien vom 16. Juli 1707.
109 Land-Gerichts-Ordnung des Erz-Herzogtumbs Oesterreich unter der Enns vom
30. Decemb. 1656. Diese bestimmte hinsichtlich der » Unkeuschheit wider die Natur
oder Sodomia « im 73. Artikel: » Wer wider die Natur Unkeuschheit treibet, als Mann
mit Mann, Weib mit Weib, oder aber ein Mensch mit einem unvernünfftigenVieh,
der fallt in die Land-Gerichtliche hernach gesetzte Straff. «
110 Art 19, § 19: » Die Sodomitische Sünde, ist eine unzulässige, und wider die Natur
strebende Wollust, diese geschicht, wann Mann mit Mann oder Weib mit Weib,
oder aber auch Weib mit Mann wider die Natur etwas fleischliches verübete… «.
111 Vgl Stooss Carl, Lehrbuch 2 29; Horrow Max, Grundriß des Österreichischen Straf-
rechts mit besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung ( 1947 ) 43.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik