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58 II. Vom Trieb zur Lust
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Anklageerhebung und Verurteilung nicht nach § 128 StG, sondern we-
gen gleichgeschlechtlicher Unzucht.221
b. » Eine naturwidrige fleischliche Vermischung zwischen
denselben Personen « – Zur Auslegung des § 129 I b StG
bis zur Entscheidung KH 2747
Entsprechend der österreichischen Rechtstradition pönalisierte das
Strafgesetz 1852 sowohl die gleichgeschlechtliche Unzucht unter Män-
nern als auch unter Frauen.222 Begrifflich brachte es gegenüber dem
Strafgesetz 1803 bis auf die explizite Nennung 223 der beiden Deliktsva-
rianten » Unzucht mit Tieren « und » Unzucht mit Personen desselben
Geschlechts « keine Neuerung. Es blieb daher, wie auch das Strafgesetz
1803, auslegungsbedürftig. Obwohl zeitgenössische Juristen dies mit
Blick auf Gleichheit und Sicherheit der Rechtsprechung als » mißlich «
einstuften, wurde der Diskretion des Gesetzgebers im Allgemeinen bei-
gepflichtet, » als es nichts weniger als erbaulich ist, wenn Gesetzbücher
bei einem die menschliche Würde so tief verletzenden Laster sich in
eine schmutzige Casuistik verlieren «.224 Auch die Rechtsprechung fand
es » begreiflich «, » daß sich das Gesetz im § 129 I b St.G. in eine Thatbe-
schreibung dieses Delictes [ .. ] nicht eingelassen hat. « 225 Sie legte den
Tatbestand zunächst eher eng aus, war aber keineswegs einheitlich.
1858 hob der Oberste Gerichtshof eine Entscheidung des Oberlandes-
gerichts Innsbruck auf, das einen Mann wegen Unzucht wider die Natur
nach § 129 I b StG 1852 verurteilt hatte, der mehrere Knaben zu unzüch-
221 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 333, 6 Vr 314 / 28.
222 Vgl E vom 18. Februar 1887, KH 1028. Ausführlich zu dieser Entscheidung siehe unten.
223 Elvert lobte in seiner Darstellung der österreichischen Strafrechtsgeschichte die
» genauere Textierung « der Paragraphe » über Nothzucht, Schändung und andere
Unzuchtsfälle «, ohne jedoch weiter ins Detail zu gehen, vgl Elvert Christian d’, Wei-
tere Beiträge zur österreichischen Rechtsgeschichte. Erster Theil. Beiträge zur Ge-
schichte des österreichischen: a ) Straf-, b ) Polizei-, c ) bürgerlichen Rechtes. ( 1888 )
208. Maucher führt in seinem Nachschlagewerk zum österreichischen Strafgesetz
als Synonyme für – augenscheinlich beide Deliktsvarianten des – § 129 StG 1852
» Venus nefanda « und » Sodomie « an, für § 129 I a StG 1852 » Bestialität « oder » Bru-
talität «, vgl Maucher Ignaz, Nachschlagebuch über das österreichische Strafgesetz
vom 17. Mai 1852 mit Rücksicht auf die Strafproceß-Ordnung vom 29. Juli 1853
( 1853 ) 52, 58, 195, 225.
224 Senft Eduard, Österreichische Vierteljahresschrift für Rechts- und Staatswissen-
schaften 1866, 213.
225 KH 1028.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik