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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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67 Das Strafgesetz 1852 Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ hauptsächlich als Disziplin der Psychiatrie betrieben wurde, tauchte die Sexualität in wissenschaftlichen Publikationen als » morbides Phä- nomen « auf. Insgesamt gelang es der Medizin, das Thema Sexualität für sich zu vereinnahmen und vor allem unter dem Aspekt der geistigen Ge- sundheit beziehungsweise Krankheit zu betrachten. In diesem Sinne ist die Psychiatrisierung 264 der Homosexualität, die – bei Casper lediglich angedeutet – 1869 mit Westphals 265 Schrift » Die conträre Sexualempfin- dung « ihren Ausgang nahm, kein Sonderfall, sondern » entspricht ide- engeschichtlich der Reduktion von Sexualität auf körperlich-seelisch normales Funktionieren. « 266 Über die Wahl des Begriffs » conträre Se- xualempfindung « gab Westphal folgende Erklärung: » Es soll damit ausgedrückt sein, dass es sich nicht immer gleich- zeitig um den Geschlechtstrieb als solchen handle, sondern auch bloß um die Empfindung, dem ganzen inneren Wesen nach dem eigenen Geschlechte entfremdet zu sein, gleichsam eine unent- wickelte Stufe des pathologischen Phänomens. « 267 Westphal war der Ansicht, die Verkehrung des Sexualempfindens be- ruhe auf einem pathologischen Zustand und stelle eine anlagebe- dingte Nervenkrankheit dar, die durch Störungen des vegetativen Sys- tems verursacht würde.268 Mit seiner Schrift leitete er nicht nur die lange andauernde Pathologisierung und Medikalisierung der gleich- geschlechtlichen Sexualität ein: Er ermöglichte außerdem, den Blick, statt ausschließlich auf den Geschlechtstrieb, nun auch auf das sexu- elle Fühlen und die Empfindungen der Betroffenen zu lenken.269 Fort- gesetzt wurde diese Entwicklung von dem Grazer Universitätsprofessor 264 Gegen diese Auffassung Dobler Jens, Duldungspolitik 299, 302. Wenn Dobler auch im Hinblick auf die vorliegende Untersuchung insofern zuzustimmen ist, dass nie- mand ausschließlich wegen Homosexualität in die Psychiatrie eingewiesen wurde, so muss trotzdem festgestellt werden, dass gleichgeschlechtliche Sexualität zuneh- mend im Psychiatriediskurs verhandelt und von diesem vereinnahmt wurde. 265 Zu Westphal siehe Hutter Jörg, Carl Friedrich Otto Westphal, in Lautmann Rüdiger ( hg ), Homosexualität. Handbuch der Theorie- und Forschungsgeschichte ( 1993 ) 39. 266 Lautmann Rüdiger, Seminar 127. 267 Westphal Carl, Die conträre Sexualempfindung, Symptom eines neuropathischen ( psychopathischen ) Zustandes, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 1869, 73 ( 107 in Fn ). 268 Vgl Westphal Carl, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 1869, 107. 269 Zu dieser Entwicklung Hutter Jörg, Soziale Kontrolle der Homosexualität. Die höchstrichterliche Tatbestandsauslegung zur widernatürlichen Unzucht im Lichte sexualwissenschaftlicher Forschung, Soziale Probleme 1991, 60.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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