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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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75 Das Strafgesetz 1852 Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ psychischen Erleben der Geschlechtslust. In der Feststellung, es sei bei Vorliegen des entsprechenden Vorsatzes 302 für die Erfüllung des Tatbe- standes hinreichend, dass der Täter oder die Täterin die » Geschlechts- lust « am Körper einer anderen Person befriedigte, zeigte sich, dass die österreichischen Richter ihren Krafft-Ebing gelesen hatten. Als offizielle Begründung diente dem Gerichtshof freilich die österreichische Rechtst- radition mit ihrer Strafbarkeit der gleichgeschlechtlichen Unzucht auch unter Frauen. Sollte es sich bei dieser nicht um » totes Recht « oder ein ge- setzgeberisches Versehen 303 handeln, konnte ein beischlafähnlicher Akt zur Erfüllung des Tatbestandes nicht gefordert werden. Beischlafähnli- che Handlungen waren nämlich nach dem herrschenden Sexualitätsver- ständnis zwischen Frauen schlichtweg nicht vorstellbar. August Brunner, der die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich begrüßte, hielt einen beischlafähnlichen Akt zwischen zwei Personen weiblichen Geschlechts » der Natur der Sache nach « für ausgeschlossen.304 Er befand sich damit in guter Tradition: Schon Senft hatte sexuelle Handlungen zwischen Frauen auf die fehlende Möglichkeit der naturgemäßen Befrie- digung des Geschlechtstriebes zurückgeführt und darin ausschließlich onanistische Akte verstanden, seien sie nun » mit oder ohne membrum artific[ iosum ]. « verübt worden.305 Brunner verlangte für das Vorliegen des Tatbestandes der gleichgeschlechtlichen Unzucht zumindest eine onanis- tische Handlung mit Benützung des Körpers einer anderen Person. Un- züchtige Betastungen, das Ergreifen der Geschlechtsteile oder das Reizen an denselben reiche dagegen nicht zur Verwirklichung des § 129 I b StG 1852 aus.306 Für eine Beschränkung auf Beischlaf und beischlafähnliche 302 Der Vorsatz musste sich auch auf die Gleichgeschlechtlichkeit beziehen. 303 Ein solches Versehen hatte allerdings bereits die E vom 12. Februar 1877, KH 1028 ausgeschlossen. 304 Vgl Brunner August, Die Rechtsprechung des k.k. obersten Gerichts- als Kassations- hofes in Wien, ZStW 1903, 803. 305 Vgl Senft Eduard, Österreichische Vierteljahresschrift für Rechts- und Staatswissen- schaften 1866, 211. Zu den wenigen, die auch hinsichtlich der gleichgeschlechtli- chen Unzucht zwischen Männern davon ausging, dass » von einem Beischlafe nur in übertragenem Sinne « die Rede sein könne beziehungsweise sich die Bezeich- nung Beischlaf auch auf die » Tribadie im eigentlichen Sinne « ausdehnen ließe, zählt Lilienthal, der für die Straflosigkeit der gleichgeschlechtlichen Unzucht so- wohl unter Frauen als auch unter Männern eintrat. Werde die Strafdrohung beibe- halten, so sei sie jedenfalls für beide Geschlechter und zwar für jede Art der Befrie- digung des Geschlechtstriebes vorzusehen, vgl Lilienthal Karl von, Der Stoosssche Entwurf eines schweizerischen Strafgesetzbuches, ZStW 1895, 260 ( 338 ). 306 Vgl Brunner August, ZStW 1903, 802 f.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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