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Das Strafgesetz 1852
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
möchte. « 322 Altmann erblickte in der gleichgeschlechtlichen Unzucht eine
» eminente Gefahr « insbesondere für die Jugend. Er nahm eine Verwirk-
lichung des Tatbestandes ebenfalls nicht nur durch beischlafähnliche
Akte an, wobei er den Analverkehr besonders hervorhob, sondern durch
jede Benützung des fremden Körpers zur Befriedigung der Lüste, vor
allem auch durch gegenseitige Masturbation.323 Wäre § 129 I b StG 1852
auf beischlafähnliche Handlungen beschränkt, so hätte der Gesetzge-
ber dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Darüber hinaus ver-
traten Altmann / Jacob die Auffassung, dass die Strafbarkeit der gleichge-
schlechtlichen Unzucht zwischen Frauen gleichfalls nahe lege, dass der
Tatbestand nicht nur durch beischlafähnliche Akte erfüllt werde: Bei-
schlafähnliche Handlungen zwischen Frauen seien ohne die Benützung
eines » künstlichen männlichen Glieds « nur schwer möglich. Schließlich
gab für Altmann / Jacob die sexualwissenschaftliche Erkenntnis » dass die
gleichgeschlechtliche Unzucht in den allerseltensten Fällen durch einen
beischlafartigen Akt vollzogen wird « 324, den Ausschlag für eine ausdeh-
nende Interpretation. Der Tatbestand sei erfüllt,
» wenn der Geschlechtsteil der einen Person mit dem Körper der
anderen in eine nicht bloß vorübergehende Berührung gebracht
wird, wobei als subjektives Tatbestandsmerkmal zu fordern ist,
dass dies zum Zwecke der Befriedigung der Sinneslust wenigstens
einer der beiden gleichgeschlechtlichen Personen geschieht. « 325
Selbst eine Berührung am bekleideten Körper könne den Tatbestand
verwirklichen. Nach Rittler ließe sich zwar eine Einschränkung der
gleichgeschlechtlichen Unzucht auf beischlafähnliche Handlungen
rechtfertigen, dies entspreche jedoch nicht der Rechtsprechung des
Obersten Gerichtshofs. Dieser erblicke aus teleologischen Erwägungen
in jeder Berührung der Geschlechtsorgane der einen Person mit dem
Körper der anderen den Tatbestand des § 129 I b StG, sofern diese Be-
rührungen sexuelle Entspannung herbeiführen sollten.326
322 Finger August, Strafrecht II 3 776.
323 Vgl Altmann Ludwig, Das Strafgesetz über Verbrechen, Vergehen und Uebertretun-
gen: nebst den hiezu erflossenen Nachtragsgesetzen 2 ( 1913 ) 98 f.
324 Altmann Ludwig / Jacob Siegfried, Kommentar 344.
325 Altmann Ludwig / Jacob Siegfried, Kommentar 343.
326 Vgl Rittler Theodor, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts. Besonderer Teil II
( 1938 ) 213.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik