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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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82 II. Vom Trieb zur Lust Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ anzustreben, bei welchen die Täter während des Aktes überrascht wur- den. « 335 Die konträre Sexualempfindung erachtete Reuter als nur in sel- tenen Fällen angeboren. Stattdessen übertrug er Caspers Theorie der » geistigen Zwitterbildung « auf den Körper der Betroffenen und folgerte, dass es sich bei ihnen zum Großteil um » Bisexuelle « handle, bei denen eine ausgesprochene Determination in eine bestimmte Geschlechts- richtung unterblieben wäre. Sie seien an ihrem Körperbau, der jeweils Elemente des Gegengeschlechts aufweise sowie an einer Vorliebe für Tätigkeiten des entgegengesetzten Geschlechts zu erkennen.336 Insgesamt traten sowohl der Glaube an untrügliche körperliche Zei- chen des unzüchtigen Verkehrs als auch die Untersuchungen am Körper zum Nachweis der Erfüllung des Tatbestandes zurück. Die gerichtsmedi- zinischen Körperbefunde konnten ihre Bedeutung nur dort beibehalten, wo der strafrechtliche Subjektstatus einzelner Beteiligter problematisch erschien und es um den Nachweis gleichgeschlechtlicher Handlungen an Kindern oder Jugendlichen oder an Menschen mit geistiger Behinde- rung ging.337 Als 1929 der vierzigjährige Linzer Bäckergehilfe Franz S. in den Verdacht geriet, sich an seinem siebenjährigen Sohn vergangen zu haben, wurde das Kind durch den Amtsarzt untersucht, der jedoch keine Anzeichen für unzüchtige Handlungen fand.338 Auch der fünfzehnjährige Alfred W., mit dem der achtzehnjährige Knecht Karl M. dem Gerichts- urteil zufolge etwa vierzehn Mal Unzucht durch Analverkehr getrieben hatte, wurde amtsärztlich untersucht. Das erwartete Ergebnis blieb al- lerdings aus: » Der After des Untersuchten entspricht dem Alter von 15 ½ Jahren ist dem Alter entprechend [ sic ! ] eng. Verletzungen oder Dehnung ( Abnorme ) ist am After nicht nachweisbar. « 339 Abseits des wissenschaftlichen Diskurses blieb die Vorstellung, » na- turwidrige « geschlechtliche Handlungen wirkten sich auf den Körper aus, jedoch noch weiterhin erhalten. Vor allem bei jüngeren Personen sollte der gleichgeschlechtliche Verkehr angeblich gesundheitliche Folgen zeigen. So wurde anlässlich der Verhaftung des achtzehnjäh- rigen Hilfsarbeiters Johann H. wegen des Verdachts der wiederholten Unzucht wider die Natur mit dem fünfundzwanzigjährigen Kutscher 335 Reuter Fritz, Lehrbuch 174. 336 Vgl Reuter Fritz, Lehrbuch 173. 337 Diesen Schluss lassen auch die bei Schlatter Christoph, Neigung 129 ff dargestellten gerichtsmedizinischen Gutachten zu. 338 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 346, 10 Vr 1108 / 29, Ärztlicher Befund vom 19. Juli 1929. 339 OÖLA, BG / LG Linz Sch 388, 6 Vr 628 / 32, Amtsärztliches Gutachten vom 29. März 1932.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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