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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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96 III. Das Recht zu sündigen Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ differenzierte zwischen Schuldausschließungsgründen, wie der fehlen- den Zurechnungsfähigkeit bei dauernder oder vorübergehender Stö- rung der psychischen Funktionen; 376 Strafausschließungsgründen, wie etwa der Immunität gewisser Staatsorgane; 377 Rechtfertigungsgründen, wie der Notwehr, und Entschuldigungsgründen, wozu er den Notstand zählte, den er auch als » unwiderstehlichen Zwang « bezeichnete.378 Als Grundgedanke lag der Zurechnungsfähigkeit die Vorstellung des Menschen als freies, für sich selbst verantwortliches und selbstbe- stimmtes Individuum zugrunde. Sie erforderte Einsicht in die Strafbar- keit einer Handlung ( Diskretionsfähigkeit ) und die Fähigkeit, den eige- nen Willen nach sittlichen und rechtlichen Grundsätzen zu bestimmen ( Dispositionsfähigkeit ). Als unzurechnungsfähig galt daher, wer noch nicht oder nicht mehr zu einer vernunftmäßigen Selbstbestimmung fä- hig war. Das Vorhandensein der Zurechnungsfähigkeit gab damit auch Auskunft über die Möglichkeit einer Person zu rechtlich bedeutsamem Handeln. In ihrem Fehlen war die Annahme mangelnder Individua- lität und strafrechtlicher Subjektivität angelegt.379 Bis in das gemeine Recht reicht die Auffassung zurück, durch Geisteskrankheit werde die Schuld ausgeschlossen oder es sei zumindest auf eine mildere Strafe zu erkennen. Allerdings wurden Sachverständige den Gerichtsverfahren zur Klärung der Frage nach der Zurechnungsfähigkeit bis zum Ende des 18. Jahrhundert nur selten beigezogen.380 Erst die Verschiebung des Fokus von der Tat hin zu Täter oder Täterin im Gefolge von Aufklä- rung und Romantik ermöglichte das zunehmende Eindringen medizi- 376 Vgl Lammasch Heinrich, Grundriß 15. 377 Vgl Lammasch Heinrich, Grundriß 16. 378 Vgl Lammasch Heinrich, Grundriß 31 f. Zur Gleichsetzung von unwiderstehlichem Zwang und Notstand in der österreichischen Rechtsprechung und Rechtslehre siehe unten. 379 Vgl Welzel Hans, Das Deutsche Strafrecht 11 ( 1969 ) 153; Rittler Theodor, Der unwider- stehliche Zwang ( § 2 g StG ) in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, in FS Hundertjahrfeier des Österreichischen Obersten Gerichtshofes 1850–1950 ( 1950 ) 221 ( 245 ). In diesem Sinne wohl auch Bei Neda in Förster Wolfgang / Natter Tobias G. / Rieder Ines ( hg ), Blick 163; Engelstein Laura, Key 75. Siehe auch Jakobs Günther, Das Schuldprinzip ( 1993 ) 27: » Wäre er [ der Täter, Anm. ] inkompetent, wie es etwa der Geisteskranke ist, träte an die Stelle der Strafe eine Behandlung; diese, eine fremdfinale Lebensgestaltung, enthielte gerade die Leugnung voller Personalität. « 380 Vgl Müller Christian, Verbrechensbekämpfung 24. Anfänge einer genaueren Über- prüfung der Zurechnungsfähigkeit konnte Hartl für das Wiener Kriminalgericht etwa um 1810 feststellen, ab 1840 wurden in zweifelhaften Fällen regelmäßig ge- richtsärztliche Gutachten eingeholt, vgl Hartl Friedrich, Kriminalgericht 316.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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