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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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102 III. Das Recht zu sündigen Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ umstandslose Gleichsetzung von konträrer Sexualempfindung mit ei- ner die menschliche Vernunft beseitigenden Geisteskrankheit wurde jedoch vielfach abgelehnt. Hofmann trennte die Päderastie, die in der Regel » weder eine neuro-, noch eine psycho-pathische Erscheinung « 400 darstelle von der konträren Sexualempfindung, die er als Unterfall des » moralischen Irreseins « 401 im Kapitel über die fragliche Zurechnungs- fähigkeit behandelte. Die konträre Sexualempfindung käme nur bei neuro- oder psychopathischen Individuen vor, ihr Auftreten als isolierte Erscheinung sei nicht erwiesen. Eine Intelligenzstörung ginge damit allerdings normalerweise nicht einher.402 » Dass etwa die perverse Se- xualempfindung allein die Geisteskrankheit ausmacht « 403, lehnte auch der Rechtsmediziner Fritz Strassmann ab. Der deutsche Arzt und Sexual- forscher Albert Eulenburg verlangte » im Einzelfalle eine[ . ] sorgfältige[ . ] Untersuchung der gesammten Geistesthätigkeit « 404, da die konträre Sexualempfindung für sich genommen nicht geeignet sei, Unzurech- nungsfähigkeit zu begründen. Medizinalrat Franz Hüpeden und der Psy- chiater und Kriminologe Gustav Aschaffenburg, Herausgeber der » Mo- natsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform «, schlossen sich dieser Ansicht an, die sich zunehmend in der forensisch-psychiat- rischen Literatur durchsetzte.405 Da vielfach angenommen wurde, dass die konträre Sexualempfindung zwar selbst keine Geisteskrankheit sei, in den meisten Fällen aber das Symptom einer Geisteskrankheit oder einer psychopathischen Degeneration darstelle, suchten psychiatrische Sachverständige regelmäßig nach weiteren Anzeichen für eine » neuro- 400 Hofmann Eduard, Lehrbuch der Gerichtlichen Medicin. Mit gleichmässiger Berück- sichtigung der deutschen und österreichischen Gesetzgebung 9 ( 1909 ) 163. 401 Unter » moralischem Irresein « ( moral insanity ) wurde ein angeborener, meist erb- licher » Defect « verstanden, der es dem Individuum unmöglich machen sollte, äs- thetisch, moralisch oder rechtlich zu empfinden, ohne aber die Intelligenz zu be- einträchtigen, vgl auch zur Entwicklung des Begriffs Hofmann Eduard, Lehrbuch 9 937 f. 402 Hofmann Eduard, Lehrbuch 9 946. 403 Strassmann Fritz, Lehrbuch der gerichtlichen Medicin ( 1895 ) 123. 404 Eulenburg Albert, Sexuale Neuropathie. Genitale Neurosen und Neuropsychosen der Männer und Frauen ( 1895 ) 138. 405 Vgl Hüpeden Franz, Bemerkungen zu v. Krafft-Ebing’s » Der Conträrsexuale vor dem Strafrichter «, Der Gerichtssaal 1895, 440 ( 447 ); Aschaffenburg Gustav, Rezension: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen mit besonderer Berücksichtigung der Ho- mosexualität. Herausgegeben im Namen des wissenschaftlich-humanitären Komi- tees von Dr. Magnus Hirschfeld. VI. Jahrg. Leipzig, Max Spohr 1904. 744 S, MSchr- Krim 1904 / 05, 530.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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