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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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106 III. Das Recht zu sündigen Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ folglich nicht die Diskretionsfähigkeit, sondern die Dispositionsfähig- keit beeinträchtigen. Jenull nannte neben dem Notstand den psycholo- gischen und den mechanischen Zwang sowie die Manien; 418 Hye sprach von einer » nöthigende[ n ] Gewalt «, die es » nach den das menschliche Handeln leitenden Willens-Gesetzen « 419 unmöglich machte, ihr zu wi- derstehen und Herbst führte auch die zahlreichen, durch die forensi- sche Psychologie dargestellten » Monomanien « als Fälle des § 2 lit g StG 1852 an, vermerkte allerdings kritisch, dass die deutschen Gerichtsärzte in ihrer Annahme der Monomanien wohl zu weit gingen.420 Die Recht- sprechung folgte diesen Ansichten jedoch nicht. Der Oberste Gerichts- hof erkannte nur Fälle des äußeren Zwanges – sei dieser ein » mecha- nischer « oder ein psychologischer 421 – als Fälle des unwiderstehlichen Zwanges an.422 » Seelenstörungen « waren nur dann geeignet, die Schuld auszuschließen, wenn sie sich als Geisteskrankheit oder Sinnesverwir- rung iSd § 2 lit a oder b StG 1852 darstellten.423 Mit der Ablösung der bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Österreich vorherrschenden psycholo- gischen Schuldauffassung durch die normative Schuldlehre erschien die Zurechnungsfähigkeit nicht länger als Voraussetzung, sondern als Element des um den Aspekt der Zumutbarkeit erweiterten Schuldbe- griffs.424 Der unwiderstehliche Zwang, den die österreichische Recht- sprechung im Wesentlichen mit dem Notstand gleich setzte,425 wan- delte sich vom Zurechnungsfähigkeits- zum Zumutbarkeitsproblem: Die Zurechnung einer strafbaren Handlung sollte dann durch unwi- derstehlichen Zwang ausgeschlossen sein, » wenn eine gegenwärtige dringende in anderer Weise als durch Begehung der objectiv strafba- ren Handlung nicht zu behebende Gefahr für den Täter besteht, der er 418 Vgl Jenull Sebastian, Das Oesterreichische Criminal-Recht nach seinen Gründen und seinem Geiste I 2 ( 1820 ) 146 f. 419 Hye Anton, Strafgesetz 192. 420 Vgl Herbst Eduard, Handbuch 58. 421 Darunter verstand der Oberste Gerichtshof den Notstand, siehe unten. 422 Vgl KH 3031. 423 Vgl Rittler Theodor in FS Hundertjahrfeier 225. 424 Vgl Frank Reinhard, Über den Aufbau des Schuldbegriffs ( 1907 ); Goldschmidt James, Der Notstand, ein Schuldproblem. Mit Rücksicht auf die Strafgesetzentwürfe Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, Österreichische Zeitschrift für Straf- recht 1913, 129. 425 Kritisch zur Reduktion des unwiderstehlichen Zwanges auf Fälle des Notstandes vgl Foltin Edgar M., Der Gedanke der Zumutbarkeit im tschechoslowakischen ös- terreichischen Strafrecht ( 1934 ).
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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