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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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107 Zur Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ ohne besondere höhere sittliche Kraft nicht zu widerstehen vermag. « 426 Vorausgesetzt wurde, dass die verbotene Handlung zur Rettung eines gefährdeten Rechtsguts oder zur Erfüllung einer Rechtspflicht erfolgte. Psychischer Zwang musste durch äußere Umstände veranlasst sein, da- mit er im Rahmen des unwiderstehlichen Zwanges berücksichtigt wer- den konnte, und unterschied sich damit wesentlich von Geisteskrank- heiten und Sinnesverwirrungen, deren Ursprung im Körperinneren verortet wurde.427 Dieser Auffassung entsprach es, dass der Oberste Gerichtshof eine Subsumtion der konträren Sexualempfindung unter den » unwidersteh- lichen Zwang « des § 2 lit g StG 1852 ablehnte: Im Jänner 1901 hatte das Landesgericht Wien Hans B. des Verbrechens der gleichgeschlechtli- chen Unzucht und der Übertretung nach § 516 StG 1852 für schuldig er- kannt. Hans B. erhob daraufhin Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof und begründete diese damit, dass die von seinem Vertei- diger in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Verlesung des Gutachtens des Professors Dr. Heinrich O. sowie auf Einholung eines Gutachtens der medizinischen Fakultät über den Geisteszustand des Hans B. beziehungsweise auf Beiziehung weiterer Sachverständiger abgelehnt worden waren. Der Oberste Gerichtshof gab der Nichtig- keitsbeschwerde keine Folge. Durch den Befund und das Gutachten von zwei Gerichtsärzten sei festgestellt, dass Hans B. nicht im Zustand dauernder oder auch nur vorübergehender Geistesstörung gehandelt habe. Beim » unwiderstehlichen Zwang « des § 2 lit g StG 1852 handle es sich um einen streng juristischen Begriff, der sich in eine » physi- sche und psychische Gewalt « gliedere, deren letztere mit dem Notstand identisch sei. Unwiderstehlicher Zwang setze ein » geistig normales In- dividuum « voraus, das » ein der Gefahr der Verletzung ausgesetztes Rechtsgut nur dadurch retten kann, dass es ein anderes, dasselbe an Wert nicht etwa übersteigendes Rechtsgut selbst verletzt « 428. Ob die Tat durch unwiderstehlichen Zwang erfolgt war, sei schließlich vom Richter zu beurteilen und obliege nicht ärztlicher Feststellung. Eine Perversion des Geschlechtstriebes wie etwa Homosexualität oder » Paidophilie « 429 426 KH 3399. 427 Siehe dazu auch Rittler Theodor in FS Hundertjahrfeier 225 ff. 428 KH 2569. 429 Tatgenosse des Angeklagten war der noch nicht vierzehnjährige Moritz B.; nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes und Feststellung des Erstgerichtes musste sich Hans B. über das Alter des Knaben im Klaren gewesen sein.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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