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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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114 III. Das Recht zu sündigen Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ dass seine sexuelle Einstellung dadurch eine normale Richtung bekom- men könnte « 459, nahmen die Sachverständigen weder in diesem noch in einem anderen Fall das Vorliegen unwiderstehlichen Zwanges an.460 Darüber hinaus hielten sich die vom Landesgericht Linz herangezo- genen Gutachter allerdings keineswegs immer an die ihnen von § 134 StPO 1873 und durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gezogenen Grenzen. Sie beschränkten sich nicht auf eine Darstellung des Geisteszustandes der Beschuldigten, sondern äußerten sich explizit auch dazu, ob ihrer Ansicht nach ein Schuldausschließungsgrund nach § 2 lit a oder b StG 1852 vorlag und gaben Empfehlungen hinsichtlich der zu verhängenden Strafe ab.461 So stellte der Befund über Otto S. fest: » In strafrechtlicher Hinsicht kann der § 2 in keinem seiner 3 Punkte zur Anwendung kommen, wohl aber muss erklärt wer- den, dass derartig veranlagte Menschen, insbesonders, wenn es sich um reine Urninge handelt, wie im vorliegenden Falle, in strafrechtlicher Hinsicht, soweit der § 129 b in Frage kommt und Delikte betrifft, deren Charakter der krankhaften Veranlagung entspricht, einer milden richterlichen Auffassung bedürfen. « 462 Der Schöffensenat verurteilte Otto S. wegen des Verbrechens der Un- zucht wider die Natur zu vier Monaten schwerem Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich. Die gutachterlich festgestellte krank- hafte Veranlagung führte das Urteil in der Begründung als » strafmil- dernd « an.463 Auch im Fall des bereits einschlägig vorbestraften 37-jäh- 459 OÖLA, BG / LG Linz Sch 369, 6 Vr 162 / 31, Psychiatrischer Befund und Gutachten vom 13. März 1931. 460 Dies begründeten die Gutachten allerdings nicht immer mit dem Verweis darauf, dass es sich beim unwiderstehlichen Zwang iSd § 2 lit g StG 1852 um einen rein juristischen Begriff handle, der mit dem psychiatrischen Verständnis von Zwang nicht zu verwechseln war. Vielmehr wiesen die Sachverständigen zur Erläuterung, weshalb von unwiderstehlichem Zwang nicht auszugehen sei, mitunter darauf hin, dass der homosexuelle Trieb nicht stärker sei als der normale, beide seien zwar stark, aber beherrschbar. Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 369, 6 Vr 162 / 31, Psychiatri- scher Befund und Gutachten vom 13. März 1931. 461 » Wenn dies strafrechtlich möglich ist «, empfahlen die Gutachten in einigen Fällen eine bloß bedingte Verurteilung, vgl etwa OÖLA, BG / LG Linz Sch 332, 6 Vr 1619 / 28, Psychiatrischer Befund mit Gutachten vom 28. November 1928; OÖLA, BG / LG Linz Sch 335, 6 Vr 992 / 28, Psychiatrischer Befund mit Gutachten vom 16. August 1928. 462 OÖLA, BG / LG Linz Sch 340, 12 Vr 606 / 29, Psychiatrischer Befund mit Gutachten vom 8. Mai 1929. 463 Allerdings wirkte sich erschwerend aus, dass es sich bei Otto S. um einen Rückfall- täter handelte.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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