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Einleitung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
Aufsätze [ … ]. Aber im allgemeinen wird die Sache langweilig, da we-
nigstens zum Teil, immer dieselben, sattsam bekannten Fragen endlos
variiert werden. « 496
In Österreich fehlte es sowohl an entsprechenden Publikations-
organen als auch an Agitatoren für die Homosexuellenemanzipation.
Die Wiener Zweigstelle des Wissenschaftlich-humanitären Komitees
wandte sich ein Jahr nach ihrer Gründung in zwei Leserbriefen an die
» Illustrierte Österreichische Kriminalzeitung « und an die » Wiener Kri-
minial- und Detektiv-Zeitung «, über weitere Aktivitäten fehlt jeglicher
Nachweis.497 Darüber hinaus hatte sich das gesellschaftliche Klima für
eine Homosexuellenemanzipation in Österreich und Deutschland um
die Jahrhundertwende zusehends verschlechtert: Zahlreiche öffent-
lich ausgetragene homosexuelle » Skandale « hatten Europa erschüttert
und das öffentliche Bild der Homosexuellen negativ beeinflusst. In der
Folge kamen Ansätze einer Liberalisierung der Strafbestimmungen ge-
gen gleichgeschlechtliche Unzucht zum Erliegen.
Insgesamt war der Gedanke einer Straflosigkeit unzüchtiger Hand-
lungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts Teilen des Deut-
schen Reichs aber nicht fremd. Vor der Gründung des Deutschen Reichs
im Jahr 1871 und der Einführung des im Wesentlichen auf dem preußi-
schen Strafgesetz basierenden Reichsstrafgesetzbuchs mit seinem § 175
hatten längst nicht mehr alle deutschen Bundesländer die gleichge-
schlechtliche Unzucht mit Strafe bedroht. In Bayern, Würtemberg, Ba-
den und Hannover war unter dem Einfluss Paul Johann Anselm von Feuer-
bachs beziehungsweise des Code Napoléon die Strafbarkeit der Unzucht
mit Personen desselben Geschlechts beseitigt worden,498 erst durch das
deutsche Reichsstrafgesetzbuch ( dRStG ) wurde sie wieder hergestellt.
Für Ulrichs, der aus dem Königreich Hannover stammte, stellte die Ein-
führung des § 175 dRStG somit einen empfindlichen Rückschritt dar,
dem er in seinen zahlreichen Schriften über die mann-männliche Liebe
entgegentrat.
Das österreichische Strafrecht wies dagegen eine lange und vor allem
ungebrochene Tradition der Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher
496 Gross Hans, Rezension: Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, unter besonderer
Berücksichtigung der Homosexualität, Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kri-
minalistik, Bd 26, 1906, 370.
497 Vgl Brunner Andreas / Rieder Ines / Schefzig Nadja / Sulzenbacher Hannes / Wahl Niko,
geheimsache:leben 35.
498 Vgl Sommer Kai, Strafbarkeit 32 ff.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik