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Die österreichische Reformdiskussion in der Zwischenkriegszeit
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
4. Gemeinsame Sache – Der Amtliche Entwurf eines
Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1925
Das Ergebnis der nun folgenden gemeinsamen Beratungen und der Zu-
sammenarbeit der deutschen und der österreichischen Justizverwal-
tung war der Amtliche Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafge-
setzbuches. Er wurde 1925 auf Anordnung des Reichsjustizministeriums
in zwei Bänden veröffentlicht.703 Im 21. Abschnitt regelte der Amtliche
Entwurf unter dem Titel » Unzucht « in § 267 die Unzucht zwischen Män-
nern:
» Ein Mann, der mit einem anderen Manne eine beischlafähnli-
che Handlung vornimmt, wird mit Gefängnis bestraft.
Ein erwachsener Mann, der einen männlichen Jugendlichen ver-
führt, mit ihm Unzucht zu treiben, wird mit Gefängnis nicht un-
ter sechs Monaten bestraft. Ebenso wird ein Mann bestraft, der
mit einem Manne gewerbsmäßig oder unter Missbrauch einer
durch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis begründeten Abhängig-
keit Unzucht treibt. In besonders schweren Fällen ist die Strafe
Zuchthaus bis zu fünf Jahren. « 704
Die – ebenfalls in deutsch-österreichischer Zusammenarbeit entstande-
nen – Begründungen des Entwurfs gingen ausdrücklich auf die in der
Sexualwissenschaft vorgebrachten Argumente ein:
703 Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs nebst Begrün-
dung. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Band I und II
( 1925 ). Die deutsche Reichsregierung hatte den Entwurf Radbruch mit einigen Än-
derungen am 12. November 1924 verabschiedet. Am 17. November wurde dieser als
» Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs « dem Reichs-
rat zur Beschlussfassung vorgelegt. Aufgrund der wesentlichen Unterschiede
zum Entwurf Radbruch wird von einem neuen Entwurf gesprochen, vgl Balthasar
Susanne, Die Tatbestände der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung. Eine
rechtsvergleichende Betrachtung des deutschen und österreichischen Rechts mit
Schwerpunkt im 20. Jahrhundert ( 2001 ) 73.
704 Radbruch bemerkte zur gleich lautenden Bestimmung der Reichsratsvorlage 1924:
» § 267 Abs. 1 war im Entwurf 1922 nicht enthalten, die mannmännliche Unzucht
nur insoweit für strafbar erklärt, als ein Jugendlicher missbraucht, die dienstliche
oder wirtschaftliche Abhängigkeit ausgenutzt oder daraus ein Gewerbe gemacht
wird ( Gefängnis ohne Mindeststrafe ). « Insgesamt handle es sich bei den Änderun-
gen der Regierungsvorlage gegenüber dem Entwurf 1922 um » Punkte, an denen
auch im weiteren Verlauf des Reformwerks die Gegensätze heftig aufeinander-
stoßen werden. «, Radbruch Gustav, Regierungsvorlage 1922 und Reichsratsvorlage
1924, ZStW 1925, 417 ( 420 ).
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik