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Die österreichische Reformdiskussion in der Zwischenkriegszeit
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
psychologische Verhältnisse « 726. Von Mittermaier abgesehen wurde der
Gegen-Entwurf des Kartells jedoch kaum zur Kenntnis genommen.727
5. Der Entwurf 1927
Die deutschen Landesregierungen sowie die maßgeblichen Ausschüsse
des deutschen Reichsrates unterzogen den Amtlichen Entwurf eines
Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1925 einer Nachprüfung. Das
unter Mitwirkung von Kadečka entstandene Ergebnis wurde am 13. Ap-
ril 1927 vom Reichsrat verabschiedet und am 14. Mai 1927 als » Entwurf
eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs « zur Beschlussfassung
im Reichstag eingebracht. Nach zweitägiger Debatte im Plenum über-
wies der Reichstag den Entwurf an den neu geschaffenen Strafrechts-
ausschuss. Vorsitzender des Ausschusses war der Rechtswissenschaf-
ter Wilhelm Kahl. Wenige Wochen später wurde der Entwurf zu einem
Strafgesetzbuch in der Fassung der deutschen Regierungsvorlage mit
einigen Abänderungen im österreichischen Nationalrat eingebracht.728
Ein Sonderausschuss des Nationalrates, der parallel zum Strafrechts-
ausschuss des deutschen Reichstages tagte, beriet den Entwurf.729 Die
Beschlüsse des deutschen und des österreichischen Ausschusses soll-
ten in gemeinsamen Sitzungen der deutschen und der österreichischen
parlamentarischen Strafrechtskonferenzen angeglichen werden.
Der Entwurf 1927 trug eindeutig konservative Züge. Hinsichtlich
der Strafbarkeit der gleichgeschlechtlichen Unzucht glich der Text der
deutschen und der österreichischen Regierungsvorlage dem Entwurf
1919, regelte aber die einfache mann-männliche Unzucht ( § 296 ) und
die qualifizierten Fälle ( § 297 ) jeweils in einem eigenen Paragraphen.
Als schwere Unzucht galt die Nötigung zur Unzucht mit Gewalt oder
durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie die
Nötigung zur Unzucht durch Missbrauch einer auf einem Dienst- oder
726 Mittermaier Wolfgang, Sittlichkeit und Strafrecht, JW 1927, 2681.
727 Vgl Sommer Kai, Strafbarkeit 251.
728 49 BlgStenProtNR 5. Session 3. GP. Die Änderungen betrafen insbesondere die
Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag, die Unterbringung in einer Anstalt
und die Abtreibung, siehe die Auflistung bei Schubert Werner ( hg ), Quellen zur Re-
form des Straf- und Strafprozeßrechts. I. Abteilung. Weimarer Republik ( 1918–1932 ).
Band 3. Protokolle der Strafrechtsausschüsse des Reichstags. 1. Teil ( 1995 ) XXXI.
729 Vgl dazu sowie zur Besetzung des Sonderausschusses Loebenstein Herbert, Strafrecht
und Strafprozeßrecht, in Schambeck Herbert ( hg ), Parlamentarismus und öffentli-
ches Recht in Österreich. Entwicklung und Gegenwartsprobleme II ( 1993 ) 973 ( 985 ).
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik