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Die österreichische Reformdiskussion in der Zwischenkriegszeit
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
die Fassung » gewohnheitsmäßig zum Erwerbe « brachten die deutschen
Mitglieder des Ausschusses vor, dass es sich hierbei um den engeren
Begriff handle. Dementsprechend wurde diese Wendung insbesondere
von jenen Abgeordneten favorisiert, die für die Straflosigkeit der ein-
fachen Unzucht zwischen Männern eintraten.781 Der deutsche Abgeord-
nete Kurt Rosenfeld, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, bean-
tragte schließlich die Streichung des § 297 Nr 2, die jedoch mit 23 zu
21 Stimmen abgelehnt wurde. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis ei-
nigte man sich schließlich auf die Wendung » gewerbsmäßig « und be-
schloss die Streichung der einfachen Unzucht zwischen Männern.782
Die letzte Sitzung des deutschen Strafrechtsausschusses fand am
11. Juli 1930 statt, eine Woche später wurde der deutsche Reichstag auf-
gelöst und Kahl erklärte als Vorsitzender des deutschen Strafrechtsaus-
schusses die Strafrechtsreform parlamentarisch für gescheitert.783 Die
Auflösung des Nationalrates 1931 bedeutete auch für Österreich eine
Unterbrechung der Strafrechtsreform.
781 Vgl Reichstag, IV. Wahlperiode 1928, 21. Ausschuss ( Reichsstrafgesetzbuch ), Proto-
kolle über die Sitzungen der deutschen und österreichischen parlamentarischen
Strafrechtskonferenzen. 12. Sitzung. Verhandelt Wien, den 4. März 1930, 6, zitiert
nach Schubert Werner ( hg ), Quellen I. Abteilung. Band 3. 1. Teil 746.
782 Vgl Reichstag, IV. Wahlperiode 1928, 21. Ausschuss ( Reichsstrafgesetzbuch ), Proto-
kolle über die Sitzungen der deutschen und österreichischen parlamentarischen
Strafrechtskonferenzen. 12. Sitzung. Verhandelt Wien, den 4. März 1930, 7, zitiert
nach Schubert Werner ( hg ), Quellen I. Abteilung. Band 3. 1. Teil 747; Reichstag, IV.
Wahlperiode 1928, 21. Ausschuss ( Reichsstrafgesetzbuch ), Protokolle über die Sit-
zungen der deutschen und österreichischen parlamentarischen Strafrechtskonfe-
renzen. 13. Sitzung. Verhandelt Wien, den 5. März 1930, 20, zitiert nach Schubert
Werner ( hg ), Quellen I. Abteilung. Band 3. 1. Teil 764 ff.
783 Vgl Kahl Wilhelm, Das Strafrecht der Zukunft, DJZ 1931, 32 ff. Am 6. Dezember 1930
brachte Kahl als Initiativantrag den » Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Straf-
gesetzbuchs von 1930 « in den deutschen Reichstag ein. Der Entwurf gab die Be-
schlüsse der ersten Lesung des Strafrechtsausschusses in der Fassung der deut-
schen und österreichischen Strafrechtskonferenz wieder. Hinsichtlich des § 296
( Unzucht zwischen Männern ) übernahm Kahl die Beschlüsse des deutschen Aus-
schusses und strich die Strafbarkeit der einfachen Homosexualität. Im § 297 folgte
er hinsichtlich der Textierung den österreichischen Wünschen und sprach in Z 2
von gewerbsmäßiger Unzucht. In besonders schweren Fällen der Nummern 1 und
3 war Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen. Vgl Zusammenstellung des
Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs – Nr. 395 der Drucksa-
chen – ( Antrag D. Dr. Kahl und Genossen ) mit der Regierungsvorlage von 1927 –
Nr. 3390 der Drucksachen der III. Wahlperiode – und den Beschlüssen des 21. Aus-
schusses der IV. Wahlperiode in erster und zweiter Lesung ( Zusammenstellung des
21. Ausschusses der IV. Wahlperiode Nr. XVI und XVIIa ). Reichstag. V. Wahlperiode
1930. 18. Ausschuß, 165.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik