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204 V. Das Verfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Schwerpunkt des Verfahrens stellte die geheime Untersuchung dar,
die in Voruntersuchung und Spezialuntersuchung zerfiel. Einige Här-
ten des Strafgesetzes 1803 waren durch die Überwachung des Untersu-
chungsrichters durch den Staatsanwalt, die gänzliche Beseitigung der
Ungehorsamsstrafen und ein Beschwerderecht aller Beteiligten gegen
Verfügungen des Untersuchungsrichters gemildert.832 Die Öffentlichkeit
war in beschränktem Ausmaß bei der Schlussverhandlung zugelassen,
allerdings konnte der Gerichtshof gem § 224 StPO 1853 aus » Rücksich-
ten für die Sittlichkeit, oder für die Schamhaftigkeit des Beschädigten
oder der Zeugen; aus Rücksichten für die öffentliche Sicherheit oder
für die Schicklichkeit « die Öffentlichkeit ausschließen. Diese Voraus-
setzungen galten vor allem bei Verhandlungen über Sittlichkeitsverbre-
chen als gegeben.833
Die Gerichtsbarkeit wurde hinsichtlich der Strafsachen bei Ver-
brechen und Vergehen in § 7 lit b StPO 1853 den Gerichtshöfen erster
Instanz, den Landes-, Kreis- und Comitatsgerichten, übertragen. Das
Untersuchungsverfahren bei Verbrechen und Vergehen nahmen die
Gerichtshöfe erster Instanz gem § 10 lit b iVm § 11 StPO 1853 für einen
eigens zu bestimmenden Umkreis durch einen Einzelrichter als Unter-
suchungsrichter wahr. Bei der Verhandlung und Entscheidung in Straf-
sachen agierten sie nach § 16 iVm § 17 StPO 1853 als Kollegialgerichte
bestehend aus einem Vorsitzenden, zwei Richtern und einem Protokoll-
führer. Bei schweren Verbrechen, bei denen eine mehr als fünfjährige
Kerkerstrafe oder die Todesstrafe drohte, entschieden Fünfrichterse-
nate. Gegen die Urteile der Gerichtshöfe erster Instanz konnte die Be-
rufung an das Oberlandesgericht erhoben werden. Seine Urteile unter-
lagen gem § 295 iVm § 301 StPO 1853 – außer im Fall der Bestätigung des
erstinstanzlichen Urteils 834 – der Berufung an den Obersten Gerichtshof.
832 Vgl Rulf Friedrich / Gleispach Wenzeslaus, Strafprozeß 4 12. Es entsprach der neoab-
solutistischen Geisteshaltung, demokratische und konstitutionelle Einrichtungen
formal in Geltung zu belassen, ihren Gehalt aber faktisch zu beseitigen, vgl Stei-
ninger Einhard in Weinzierl Erika / Ardelt Rudolf ( hg ), Justiz VII 36.
833 Vgl Frühwald Wilhelm Theodor, Handbuch des österreichischen allgemeinen Straf-
Prozeßes. Enthaltend die Straf-Prozess-Ordnung vom 29. Juli 1853, und alle darauf
Bezug habenden Gesetze und Verordnungen, eine ausführliche Erklärung dersel-
ben, mit zahlreichen Rechtsfällen und Mustern, eine kurze Belehrung über die Ge-
schäftsordnung der Strafgerichte, und ein alphabetisches Sachregister ( 1854 ) 258.
834 Die angeklagte Person sowie deren Ehegattin beziehungsweise Ehegatte, Ver-
wandte in auf- und absteigender Linie und der Vormund der angeklagten Person
konnten gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts, mit denen das erstins-
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Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik