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Das österreichische Strafverfahrensrecht in der Zwischenkriegszeit
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
geräumt. Im August 1934 wurde das Bundesgesetz über die Bildung der
Schöffenlisten ( Schöffenlistengesetz ) 902 erlassen, das in § 1 das Schöf-
fenamt » vaterlandstreuen österreichischen Bundesbürgern « vorbehielt.
Frauen konnten gem § 4 Z 1 SchöffenlistenG auf Ansuchen » für immer «
vom Schöffenamt befreit werden.
4. Die Behandlung jugendlicher Rechtsbrecher
Von besonderer Bedeutung für die Verfahren wegen Unzucht wider die
Natur mit Personen des gleichen Geschlechts war die Entwicklung ei-
ner eigenen Jugendgerichtsbarkeit während der Zwischenkriegszeit.
Der Anteil an jugendlichen Beschuldigten lag beim Delikt der gleichge-
schlechtlichen Unzucht traditionell hoch.903 Auch im Landesgerichts-
sprengel Linz hatten 22,46 Prozent der wegen § 129 I b StG Beschuldig-
ten das achtzehnte Lebensjahr noch nicht oder gerade erst vollendet,
als das erstinstanzliche Urteil gefällt wurde. Besonders stark betrof-
fen waren männliche Jugendliche, die hundert der insgesamt 104 noch
nicht oder gerade erst achtzehnjährigen Beschuldigten ausmachten,
und hier vor allem die Gruppe der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen mit
77 Beschuldigten. 23 Beschuldigte waren im Urteilszeitpunkt gerade
achtzehn Jahre alt.904
Geschlecht Alter in Jahren
Gesamt
11 12 13 14 15 16 17 18
männlich - - 2 9 19 16 31 23 100
weiblich 1 - - - - - 3 - 4
Gesamt 1 - 2 9 19 16 34 23 104
Tabelle 4: Jugendliche Beschuldigte nach Alter und Geschlecht, Quelle: ÖOLA, BG / LG Linz
Sch 425–516
902 Bundesgesetz vom 28. August 1934 über die Bildung der Schöffenlisten ( Schöffen-
listengesetz ), BGBl II 1934 / 212. Siehe auch Talós Emmerich, Das austrofaschistische
Herrschaftssystem. Österreich 1933–1938 2 ( 2013 ) 275.
903 Vgl Weingand Hans-Peter, Invertito – Jahrbuch für die Geschichte der Homosexu-
alitäten 2011, 52 f. Zur Altersstruktur der vom Landesgericht Linz wegen gleichge-
schlechtlicher Unzucht Verdächtigten siehe Anhang 5.
904 ÖOLA, BG / LG Linz Sch 425–516.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik