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Anzeigen durch Sicherheitsbehörden
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
wesentlich vorbestimmten. Zunächst war das » Nationale « 964 der ver-
dächtigen Person anzugeben. Daran schloss sich die Tatgeschichte an,
die in einzelne Abschnitte zu gliedern war. Insbesondere jungen und
unerfahrenen Beamten wurde angeraten, die einzelnen Punkte » Dar-
stellung der Tat «, » Beweismittel «, » Angaben des Beschuldigten « und –
sofern dies in Betracht kam – » Begründung der Verhaftung « deutlich
voneinander abzugrenzen, um Unvollständigkeiten zu vermeiden. In
» gedrängter Form « sollte hier die » ganze Ausforschungstätigkeit « wie-
dergeben werden.965 Die in den Species facti und Anzeigen enthaltenen
Schilderungen lassen Rückschlüsse darauf zu, was sich für die Sicher-
heitsbehörden als unzüchtige Handlungen darstellte, wie sie von ihnen
Kenntnis erlangten und welchen Veränderungen diese Vorgänge im Un-
tersuchungszeitraum unterlagen.
Sowohl für die österreichische Polizei als auch für die Gendarmerie
stellte die Zeit nach 1918 eine Periode großer Umwälzungen und wesent-
licher Reorganisierung und Reformen dar. Diese Entwicklungen beein-
flussten die sicherheitsbehördliche Arbeit und damit nicht zuletzt die
Ausforschungstätigkeit und Anzeigehäufigkeit. Nach der Auflösung eines
Großteils der staatlichen Polizeidirektionen im Jahr 1866 lag das Sicher-
heitswesen bis zum Ende des ersten Weltkrieges in den meisten Pro-
vinzstädten 966 der Habsburgermonarchie in den Händen der Stadtver-
waltungen.967 Bei diesen städtischen Sicherheitswachen herrschten sehr
unterschiedliche, durch die lokale Politik beeinflusste Verhältnisse. Wie
die Sicherheitswache personell ausgestattet war, über welche Ausrüstung
964 Dazu zählten Zu- und Vorname; bei Frauen der Zuname vor der Verehelichung;
Rufname, Spitzname, Gaunername oder Hausname; Tag, Monat und Jahr der Ge-
burt; Ort, Bezirk und Land der Geburt; Heimatgemeinde, Bezirk, Land; Staatsange-
hörigkeit; Glaubensbekenntnis; Familienstand; Beruf und Stellung im Berufe; letz-
ter Aufenthaltsort; Schulbildung; Vermögensverhältnisse; Pflichten, für andere zu
sorgen; Namen der Eltern; nur bei Frauen Name des Gatten; Vorstrafen; Tag und
Stunde der Einlieferung in das Polizeigefängnis oder den Gemeindearrest sowie
im Falle der Entlassung durch die Sicherheitsbehörde Tag und Stunde der Entlas-
sung. Siehe dazu auch Anhang 6 bis 9.
965 Vgl Lichem Arnold, Ausforschungsdienst 6.
966 Nur in den größten Städten der Monarchie blieben staatliche Polizeibehörden
erhalten, vgl Gebhardt Helmut, Die Rolle der Polizisten und Gendarmen im Wan-
del der österreichischen Staatssysteme des 19. und 20. Jahrhunderts, in Lüdtke
Alf / Reinke Herbert / Sturm Michael ( hg ), Polizei, Gewalt und Staat im 20. Jahrhundert
( 2011 ) 45 ( 50 ).
967 Vgl Dehmal Heinrich, Geschichte des Kriminalbeamteninstitutes, in Dehmal Hein-
rich et al ( hg ), Der österreichische Bundes-Kriminalbeamte. Gedenkwerk anläß-
lich des 80-jährigen Bestandes des Kriminalbeamtenkorps Österreich 2 ( 1934 ) 1 ( 18 ).
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik