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240 VI. Veranlassungsgründe der Strafverfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
verdächtig, vor allem, wenn die Betreffenden bereits einschlägig » be-
kannt « waren. Als ein Wachebeamter anlässlich seines Rayonsdienstes
an einem Nachmittag im September in der Linzer Hofgasse auf den
landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter Johann O. und den Bäckergehilfen
Josef N. traf und diese zur Ausweisleistung aufforderte, ging Josef N.
eilig Richtung Franz Josefplatz 996 davon. Der Beamte, der Josef N. von
einer früheren Verhaftung und gerichtlichen Untersuchung wegen § 129
I b StG 1852 her kannte,997 schöpfte sofort » Verdacht [ . ], dass er mit O.
Unzucht wider die Natur getrieben haben dürfte « 998.
Der Anfangsverdacht der Sicherheitsbehörden ging bei solchen Ge-
legenheiten zwar häufig, aber nicht immer in Richtung unzüchtiger
Handlungen. Revierinspektor Georg M. bemerkte im April 1929 spät-
abends auf einem Feld 999 in der Hamerlingstraße zwei verdächtige Män-
ner. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er die beiden an, um sie in der
Dunkelheit besser sehen zu können, vermutete vorerst jedoch bloß ein
Vergehen oder eine Verwaltungsübertretung: » Im ersten Augenblick war
ich der Meinung, der unbekannte Mann sei von mir beim Notdurftver-
richten überrascht worden und wolle sich soeben seine Beinkleider in
Ordnung bringen. « 1000 Dieser erste Eindruck wich alsbald der Annahme,
dass zwischen den beiden Männern etwas » Schwerwiegenderes « vorge-
fallen sein musste: » Als ich aber K. mit geöffnetem Hosenschlitz und
seinen Geschlechtsteil versorgen sah, vermutete ich, daß hier soeben
ein Unzuchtsakt im Zuge war, was sich später durch das Geständnis K.s
bestätigte. « 1001 Revierinspektor Josef O., den sein Dienstgang im Winter
1931 über den Jahrmarktplatz in Urfahr führte, schöpfte zunächst gar
keinen Verdacht, als er zwei Personen » eng aneinandergedrückt « auf
einer Parkbank sitzen sah:
996 Der Franz Josefplatz trägt heute die Bezeichnung Hauptplatz.
997 Dieser Akt gegen Josef N. und Ludwig L., der sich im Jahr 1928 unter der Zahl 1879
im Vr-Register findet, ist nicht erhalten geblieben. Laut Vr-Register wurde die Vor-
untersuchung gegen Josef N. gem § 109 StPO 1873 eingestellt. Das Verfahren gegen
den jugendlichen Ludwig L. wurde gem § 31 JGG 1928 ausgeschieden und endete
mit einem Schuldspruch, gem § 13 JGG 1928 wurde der Ausspruch über die Strafe
für eine Probezeit von drei Jahren aufgeschoben, vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 338,
13 Vr 37 / 29, Urteil vom 16. Februar 1929.
998 OÖLA, BG / LG Linz Sch 438, 6 E Vr 1606 / 34, Meldung vom 21. September 1934.
999 Zwischen dem ehemaligen Stadtkern und den Vorstädten existierten in der Zwi-
schenkriegszeit zahlreiche Baulücken, vgl Constantini Otto, Die bauliche Entwick-
lung der Stadt Linz im 20. Jahrhundert, Jahrbuch der Stadt Linz 1949 ( 1950 ) 65 ( 74 ).
1000 OÖLA, BG / LG Linz Sch 342, 12 Vr 650 / 29, Anzeige vom 26. April 1929.
1001 OÖLA, BG / LG Linz Sch 342, 12 Vr 650 / 29, Anzeige vom 26. April 1929.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik