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244 VI. Veranlassungsgründe der Strafverfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
das » wirksamste Mittel zur Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Si-
cherheit « 1019, die spärliche Besiedelung des ländlichen Raums brachte
es jedoch mit sich, dass die einzelnen Ortschaften nur von Zeit zu Zeit
von Gendarmeriebeamten aufgesucht werden konnten.1020 Anlässlich
eines solchen Patrouillenganges von Mauthausen nach St. Georgen an
der Gusen im Herbst 1934 überraschte der Rayonsinspektors Franz P.
den neunzehn Jahre alten Schmiedegehilfen Franz H. und den Jugend-
lichen Heinrich E. dabei, wie sie auf einer Straßenböschung liegend
gegenseitig onanierten.1021 Derlei Entdeckungen blieben im ländlichen
Gebiet allerdings Einzelfälle.
3. » Ein Damenschneider [ .. ] aus der Kapuzinerstraße ist
auch homosexuell veranlagt « – Belastung durch bereits
Verdächtige
Von » Unzuchtshandlungen « und von » unzüchtig Handelnden « erfuhren
die Exekutivorgane nicht nur durch Betreten auf frischer Tat, sondern
auch anlässlich der Nachforschungen gegen bereits Verdächtige.1022 In-
tensive Erhebungstätigkeit konnten weitere Tatverdächtige zu Tage
treten lassen, wie etwa bei der Einvernahme des vierzigjährigen Hilfs-
arbeiters Ignaz E. Laut Bericht des Kriminalbeamten Franz K. » verwi-
ckelte sich [ Ignaz E. ] während der Einvernahme in Widersprüche und
gestand auch schliesslich ein, dass er auch mit einem gewissen S. und
einem noch unbekannten Schuhmachergehilfen Unzuchtsakte betrie-
1019 Neubauer Franz, Die Gendarmerie in Österreich 1849–1924 ( 1925 ) 309 ( Hervorhe-
bung im Original ).
1020 Die Gendarmen legten die Strecken zwischen den einzelnen Orten zu Fuß zurück,
erst 1926 wurden amtlich Fahrräder als dienstliche Fortbewegungsmittel zugewie-
sen, vgl Perfler Arnold, Soziale Entwicklung, Dienstzeit, Unterkünfte, von 1919–1971,
in Hörmann Fritz / Hesztera Gerald ( hg ), Gefahr 48 ( 65 ).
1021 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 437, 6 E Vr 1506 / 34. Die Entdeckung wurde dadurch be-
günstigt, dass » der Lichtschein der am Ortsausgange angebrachten Strassenlampe
auf diese Stelle leuchtete « ( Anzeige vom 4. September 1934 ). Im ländlichen Raum
herrschte in kleineren Orten und außerhalb von besiedeltem Gebiet nachts Dun-
kelheit, in der Stadt Linz lässt sich die Geschichte der öffentlichen Beleuchtung
dagegen bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, vgl Kutschera Richard, 200 Jahre
öffentliche Straßenbeleuchtung in Linz, Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1964
( 1965 ) 347. Auch dies erleichterte die Entdeckung unzüchtiger Begegnungen im
städtischen öffentlichen Raum durch polizeiliche Patrouillen.
1022 Vgl auch Rydström Jens, Sinners and Citizens. Bestiality and Homosexuality in Swe-
den, 1880–1950 ( 2003 ) 265.
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Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik