Seite - 257 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Bild der Seite - 257 -
Text der Seite - 257 -
257
Anzeigen durch Privatpersonen
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
wurde, musste bei einer Verurteilung nach § 129 I b StG 1852 als zerstört
gelten.1077 Zunächst hatte es den Anschein, als wäre der diesbezüglichen
Drohung von Johanna S. und Marie S. kein Erfolg beschieden. Franz
Z. stellte die Ehre von Marie S. nicht etwa durch Ehe wieder her, und
Karl H. verteidigte – der Logik des Ehrbegriffs folgend – seine bedrohte
männliche Geschlechtsehre mit der Androhung einer Verleumdungs-
klage. Doch die Gerüchte um Franz Z. und Karl H. hatten sich verdich-
tet.1078 Karl H. befand sich außerdem in einer geschwächten Position:
Finanziell hatte er sich für Franz Z. ruiniert, als Sozialdemokrat hatte er
nach den Ereignissen des 12. Februar 1934 seine Stelle verloren.1079 Als
die anonyme Anzeige die Sicherheitsbehörden erreichte, setzte sie in-
tensive Nachforschungen gegen Franz Z. und Karl H. in Gang.
Eine Mittelstellung zwischen namenlosen und namentlichen Anzei-
gen nahmen die » vertraulichen Mitteilungen « über unzüchtige Hand-
lungen ein, die an Polizei- oder Gendarmeriebeamte ergingen. Anders
als bei anonymen Hinweisen waren bei vertraulichen Mitteilungen die
Namen der anzeigenden Personen den Sicherheitsbehörden im Regel-
fall bekannt, die Anzeigenden selbst gehörten allerdings nicht der Po-
lizei oder Gendarmerie an. Vielmehr handelte es sich um als » vertrau-
enswürdig « eingestufte Privatpersonen, die nur dann bereit waren, den
Sicherheitsbehörden dienliche Hinweise zur Strafverfolgung zu liefern,
wenn ihnen die vertrauliche Behandlung ihrer Angaben zugesichert
wurde.1080 Der Wunsch nach Vertraulichkeit mochte der Furcht vor mög-
1077 Vgl Erläuternde Bemerkungen zum Vorentwurf eines österreichischen Strafgesetz-
buches vom September 1909 und zum Vorentwurfe des Einführungsgesetzes ( 1910 )
232. Dagegen ging noch Kraus Joseph, Das Rechtsgut der Ehre, Allgemeine Öster-
reichische Gerichts-Zeitung 1905, 107 ( 120 ), davon aus, dass es » eine männliche
Sexualehre bei richtiger Erfassung des Ehrenlebens nicht gibt «.
1078 Eine weitere Nachbarin hatte Johanna S. inzwischen erzählt, » dass Z. schon in der
Gewerbeschule als Geliebter des H. gegolten hat. «, OÖLA, BG / LG Linz Sch 436, 6 E
Vr 1346 / 34, Niederschrift vom 12. Juli 1934. Ferner erinnerte sich Marie daran, dass
Franz Z. ihr erzählt hatte, seine frühere Geliebte habe ein Kind von ihm erwartet,
mit finanzieller Unterstützung durch Karl H. sei eine Abtreibung vorgenommen
worden, OÖLA, BG / LG Linz Sch 436, 6 E Vr 1346 / 34, Niederschrift vom 13. Juli 1934.
1079 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 436, 6 E Vr 1346 / 34, Niederschrift vom 18. Juli 1934.
1080 Vgl Wetterich Paul, Verwertung vertraulicher Informationen – Einige forensisch-
kriminalistische Bemerkungen, in FS Middendorff ( 1986 ) 273 ( 275 ). Nach der Ver-
ordnung des Justizministeriums vom 8. November 1855, RGBl 1855 / 194, waren die
Sicherheitsbehörden nicht verpflichtet den Strafgerichten die Namen derjenigen
Vertrauten mitzuteilen, die wegen einer strafbaren Handlung eine Anzeige erstat-
tet oder eine andere Entdeckung zum Zweck der strafgerichtlichen Verfolgung
mitgeteilt hatten.
zurück zum
Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik