Seite - 266 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Bild der Seite - 266 -
Text der Seite - 266 -
266 VI. Veranlassungsgründe der Strafverfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
seiner Stellung zu belassen. Erst als Ernst St. am 15. Oktober 1933 an
dem vierjährigen Sohn des Landwirts unzüchtige Handlungen verübte,
erstattete Johann Sp. die Anzeige.1128
Unbekannte Täter bildeten dagegen die Ausnahme. Auf sie trafen
Kinder am ehesten an öffentlichen Orten wie zum Beispiel an Badeplät-
zen und in Badeanstalten oder in Gasthäusern.1129 Während eines Gar-
tenkonzertes im Gasthaus Urban in Traun lockte der 33-jährige Hilfs-
arbeiter Engelbert E. den neunjährigen Karl K. in den Abort » in der
Absicht an dem angeführten Knaben eine unsittliche Handlung zu be-
gehen. « 1130 Karl K. lief jedoch davon und erzählte seinem Bruder von
dem Vorfall. Dieser erstattete die Anzeige.1131 Am 12. Juni 1925 sprach
der 49-jährige stellenlose Tischlergehilfe Josef Sl. den elfjährigen Volks-
schüler Josef G. an, der sich gerade auf dem Heimweg von Dornach
nach Heilham befand. Er lud den Knaben ein, mit ihm spazieren zu
gehen, was dieser jedoch ablehnte. Josef Sl. schenkte dem Buben 4.000
Kronen und versprach ihm weitere Geschenke, wenn er am nächsten
Tag am » Brunnenwaldeingang « auf ihn warte. Josef G. berichtete davon
seinen Eltern, denen » die Sache bedenklich vorkam « 1132, weshalb sie
am nächsten Vormittag beim Sicherheitswacheposten Urfahr Anzeige
erstatteten. Nicht nur die Eltern des Knaben, auch die Sicherheitsbe-
amten vermuteten einen » Knabenschänder «.
in Oberösterreich 1918–1938, in Ehmer Josef / Mitterauer Michael ( hg ), Familienstruk-
tur und Arbeitsorganisation in ländlichen Gesellschaften ( 1986 ) 325 ( 405 f ).
1128 Allerdings nicht ohne dem Jugendlichen neuerlich ein paar Ohrfeigen zu verset-
zen, vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 420, 6 Vr 2073 / 33, Zeugenvernehmung vom 14. No-
vember 1933. Zu elterlichen Versuchen, Fälle sexueller Gewalt an Kindern selbst zu
» regeln «, siehe Hommen Tanja, Sittlichkeitsverbrechen 171 f.
1129 Während Kinder Gaststätten in der Regel mit ihren Eltern oder anderen Fami-
lienangehörigen aufsuchten, waren sie zum Beispiel beim Baden an der Donau
nicht unbedingt in Begleitung von Verwandten. Ereigneten sich hierbei Unzuchts-
handlungen, wurden mitunter auch unbeteiligte Dritte darauf aufmerksam und
erstatteten Anzeige, siehe oben. Zum Misstrauen, das Fremden entgegengebracht
wurde, die sich Kindern näherten oder diese ansprachen vgl Hommen Tanja, Sitt-
lichkeitsverbrechen 143 f.
1130 OÖLA, BG / LG Linz Sch 335, 6 Vr 1309 / 28, Anzeige vom 7. September 1928.
1131 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 335, 6 Vr 1309 / 28, Anzeige vom 7. September 1928. Ein
weiterer Fall mit einem zunächst unbekannten Täter ereignete sich im Sommer
1928 im Gasthaus » Zur ewigen Ruh «. Der elfjährige Konrad Sch. wurde von einem
Unbekannten am Geschlechtsteil betastet, während er in einem Extrazimmer des
Gasthauses schlief. Als angeblicher Täter wurde der arbeitslose 24-jährige Karl L.
ausgeforscht, vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 335, 6 Vr 1158 / 28.
1132 OÖLA, BG / LG Linz Sch 311, Vr VI E 787 / 25, Anzeige vom 15. Juni 1925.
zurück zum
Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik