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276 VII. Von der Anzeige zur Anklage
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
G. eine Falle gestellt.1175 Zwei Wachmännern hielten » in Zivil gekleidet
zur angegebenen Zeit im Gesträuche beim Brunnenwaldeingang nach
diesem Mann Vorpaß. « 1176 Der verdächtige Josef Sl. erschien und ver-
schwand mit Josef G. zwischen zwei Kornfeldern. Als der Knabe wenig
später um Hilfe schrie, eilten die Wachebeamten dorthin, nahmen Josef
Sl. fest und erstatteten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Bereits am
nächsten Tag beantragte der Staatsanwalt die Bestrafung des Josef Sl.
wegen versuchter Unzucht wider die Natur.1177
Für gewöhnlich löste eine hinlänglich plausible und glaubwürdige
Anzeige jedoch zunächst eine Reihe weiterer Verfahrensschritte aus, be-
vor es zur Anklageerhebung, zum Strafantrag oder aber zur Zurückle-
gung der Anzeige beziehungsweise zur Einstellung des Verfahrens kam.
Vorerhebung und Voruntersuchung, die gemeinsam das so genannte
» Vorverfahren « bildeten, sollten dazu dienen, den Inhalt der Strafan-
zeige zu prüfen und zu ergänzen, den Verdacht gegen eine bestimmte
Person zu erhärten, Beweismittel zu sammeln, Gutachten über eine
allfällige Unzurechnungsfähigkeit der Beschuldigten anzufordern. Sie
sollten den öffentlichen Ankläger in die Lage versetzen, sich für oder
gegen eine Anklage oder einen Strafantrag zu entscheiden.
B. Vorerhebungen und Voruntersuchung
Um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung eines Strafverfah-
rens gegen eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der An-
zeige zu erhalten, konnte der Staatsanwalt gem § 88 StPO 1873 durch
den Untersuchungsrichter, die Bezirksgerichte oder die Sicherheitsbe-
hörden Vorerhebungen führen lassen. » [ O ]b der einer bestimmten Per-
son zur Last gelegte Sachverhalt einer strafbaren Handlung zum Gegen-
stand der Anklage zu machen sei « 1178, war in der Voruntersuchung gem
1175 Zu diesem Fall auch Kapitel VI.
1176 OÖLA, BG / LG Linz Sch 311, Vr VI E 787 / 25, Anzeige vom 15. Juni 1925.
1177 Auch hinsichtlich des 42-jährigen Knechtes Ignaz M., dem vorgeworfen wurde, den
zwölfjährigen Hauptschüler Gottfried B. » wiederholt in der niederträchtigsten Art
und Weise geschändet « zu haben, beantragte der Staatsanwalt schon am Tag nach
der Anzeige die Bestrafung im vereinfachten Verfahren. Ignaz M. hatte die Tat be-
reits bei seiner Befragung durch die Gendarmerie zugegeben, vgl OÖLA, BG / LG
Linz Sch 511, 6 E Vr 2393 / 37.
1178 Lohsing Ernst, Strafprozeßrecht 3 302.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik