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Das Suchen und Finden von Beweisen
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
Beweismaterial, das direkt von den Strafverfolgungsbehörden oder von
Verwaltungsbehörden produziert wurde: Der Beweis über etwaige Vor-
strafen und den Leumund der Beschuldigten war in erster Linie durch
Urkunden wie Vorstrafenverzeichnisse – die so genannten Strafkarten
–, Leumundszeugnisse 1373 und » Jugenderhebungen « zu erbringen. Diese
Schriftstücke galten als voller Beweis für den darin erklärten Inhalt,
wenn sie von einem Amt innerhalb der Grenzen seines Wirkungskreises
ausgestellt worden waren und keine Formfehler aufwiesen.1374
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren von den Gerichten
» Criminal-Auskunfts-Tabellen « angefertigt worden.1375 Diese enthielten
neben den Personalien jener Personen, die zu einer Kerkerstrafe verur-
teilt worden waren, auch Anmerkungen über den » früheren Lebenswan-
del «, » zuletzt untersuchte Verbrechen «, die letzte Verurteilung sowie
die » körperliche und sittliche Beschaffenheit «. Nach der Entlassung der
jeweiligen Person aus der Haft wurde die Auskunftstabelle der » Polizey-
oder politischen Behörde « übergeben. Diese Aufzeichnungen verfolg-
ten einen doppelten Zweck: Zum einen setzten sie die Kerkerverwaltung
über die verhängte Strafe in Kenntnis und darüber, wie der Verurteilte
» zum Zwecke seiner Besserung, nach seiner körperlichen und sittlichen
Beschaffenheit zu behandeln sey « 1376. Zum anderen sollten sie es nach
der Entlassung aus der Kerkerhaft den Polizeibehörden und den po-
litischen Behörden ermöglichen, die Entlassenen » erfolgreich « zu be-
aufsichtigen. Mit Verordnung des k.k. Justizministeriums von 1853 1377
wurde den Gerichten erneut die Mitteilung der Auskunftstabellen an
die Polizei- und die politischen Behörden aufgetragen. Gleichzeitig
1373 Der Leumund einer Person spielte insbesondere auch für die Frage einer allfäl-
ligen Verlängerung der Untersuchungshaft eine Rolle, vgl Lohsing Ernst, Strafpro-
zeßrecht 3 279.
1374 Vgl Lohsing Ernst, Strafprozeßrecht 3 279. Anders dagegen etwa ein vom Ortspfarrer
ausgestelltes Leumundszeugnis, E vom 9. November 1885, KH 839.
1375 Als Grundlage dieser Aufzeichnungen wurde § 435 StG 1803 angesehen, vgl Anonym,
Unsere Strafkarten. Von einem Richter, Das Recht 1904 / 05, 341.
1376 Hofdecret vom 30. November 1821, an sämmtliche Appellations-Gerichte, einver-
ständlich mit der vereinten Hofkanzley, JGS 1818.
1377 Verordnung des Ministeriums der Justiz vom 5. März 1853, giltig für alle Kronlän-
der, in welchen die Strafproceß-Ordnung vom 17. Jänner 1850 in Wirksamkeit ist,
wodurch im Einverständnis mit dem Ministerium des Innern und der obersten
Polizeibehörde für die genannten Kronländer, die mit Hofdecret vom 30. Novem-
ber 1821, N4. 1818 der Justiz-Gesetzsammlung, ertheilte Vorschrift wegen Ausferti-
gung der strafgerichtlichen Auskunftstabellen und weiterer Behandlung derselben
mit mehreren Abänderungen neuerlich kundgemacht wird, RGBl 1853 / 44.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik