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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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328 VII. Von der Anzeige zur Anklage Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ rechte zu. Darüber hinaus erfuhr die Konzeption der Strafprozeßord- nung 1873 in der Praxis insofern wesentliche Veränderungen, als der Umfang des Vorverfahrens regelmäßig das ihm durch das Gesetz zuge- dachte Ausmaß um ein Vielfaches überstieg und die ermittelnde Funk- tion, die ursprünglich dem Untersuchungsrichter hatte zufallen sollen, sich immer stärker auf die Sicherheitsbehörden verlagerte. Die Ablösung des Inquisitionsprozesses durch den Anklageprozess, der nicht notwendigerweise eines Geständnisses des Beschuldigten be- durfte, brachte gemeinsam mit neuartigen Techniken und Verfahren des Ausforschens, Messens und Bestimmens neue Beweismittel hervor, in deren Erhebung sich die Strafverfolgungsorgane zu schulen hatten. Obwohl auch in Unzuchtsverfahren nach manifesten Spuren gleichge- schlechtlichen sexuellen Verhaltens gesucht wurde und das Auffinden von Samenspuren, inkriminierenden Briefen oder Bildern protokolla- risch festgehalten wurde, blieben die Behörden stärker als bei anderen Delikten und » Sittlichkeitsverbrechen « auf die Aussagen von Zeuginnen und Zeugen und auf Geständnisse der Beschuldigten angewiesen. Da- bei war die Bandbreite dessen, was Zeuginnen und Zeugen gesehen hat- ten und für » unzüchtig « befanden groß: Die Wahrnehmungen reichten von » verdächtigen « Unterhaltungen und Küssen bis hin zu Handlungen wie » bei einem normalen Beischlaf «. Als prekär erwies sich die Lage jener Zeuginnen und Zeugen, die selbst Opfer unerwünschter sexuel- ler Handlungen geworden waren: Hatten sie eine gewisse Altersgrenze überschritten, stuften die Behörden sie häufig als Mittäter oder Mittäte- rinnen ein. Wer als mögliche Täterin oder möglicher Täter vernommen wurde, sah sich häufig zu einem Geständnis gedrängt, obwohl die ge- setzlichen Vorschriften Beschuldigte weder zur Aussage zwangen noch mit Wahrheitspflicht belegten. Unzüchtige Handlungen waren vielfach bereits vor den vernehmenden Sicherheitsbehörden zugegeben worden, meist wurden die Aussagen vor dem Untersuchungsrichter dann nur mehr bestätigt. Etwas mehr als die Hälfte der Beschuldigten befand sich zum Zeitpunkt der Vernehmung in Haft und mochte wohl mit ei- nem Geständnis die Hoffnung auf Freilassung verbinden. Sowohl für die Protokolle der Zeugenaussagen als auch für die der Beschuldigten- vernehmung galt, dass sie nicht das tatsächlich Gesprochene wieder- gaben, sondern bloße Resümeeprotokolle darstellten. Sie orientierten sich an den einzelnen Tatbestandserfordernissen der gleichgeschlecht- lichen Unzucht und gossen die Aussagen in eine Form, die es erlaubte, das Geschehene an die strafrechtliche Norm anzunähern. Dass die
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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