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Darstellungen vor Gericht
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
schränkt, ihr Platz war außerhalb der Gerichtsschranken.1522 Ihre Zahl
wurde durch die räumlichen Verhältnisse der Gerichtsgebäude not-
wendigerweise limitiert: Kein Verhandlungssaal vermochte, eine un-
begrenzte Menge an Zuseherinnen und Zusehern aufzunehmen.1523 Die
strafprozessualen Vorschriften grenzten den Kreis jener, denen Zutritt
zum Verhandlungssaal gewährt wurde, überdies auf erwachsene, un-
bewaffnete Personen ein.1524 Personen, die angetrunken oder anstößig
gekleidet waren, sollten nicht zugelassen werden.1525 Die sitzungspo-
lizeiliche Gewalt des Vorsitzenden verhielt die Zuhörerinnen und Zu-
hörer der Hauptverhandlung zu Ruhe, Ordnung und » anständigem «
Verhalten. Sie untersagte vor allem Beifalls- und Missbilligungskund-
gebungen durch das Publikum, die weder dem Ernst noch der Würde
eines Strafverfahrens angemessen erschienen.1526
Die Erhabenheit des Rechts wurde jedoch nicht nur durch ein Pub-
likum versinnbildlicht, das den Gang der Rechtsprechung mit gemes-
sener Zurückhaltung verfolgte. Sie kam auch in dem Amtskleid zum
Ausdruck, das die Richter und Staatsanwälte seit 1897 1527 bei allen Ver-
handlungen an Stelle der zuvor üblichen Beamtenuniform 1528 anzulegen
1522 Bausinger verweist auf die doppelte Funktion der Gerichtsschranken, die einer-
seits die rechtsprechenden von den übrigen im Verhandlungssaal anwesenden
Personen trennten, andererseits Herrschaft symbolisierten, vgl Bausinger Her-
mann, Sprachschranken vor Gericht, in Köstlin Konrad ( hg ), Das Recht der kleinen
Leute. Beiträge zur rechtlichen Volkskunde ( 1976 ) 12 ( 13 ).
1523 Vgl Kleinfellner Georg, Die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens, Der Ge-
richtssaal 1887, 417 ( 420 ). In diesem Zusammenhang wurde auch die Ausgabe von –
für jede Person in gleicher Weise zu erlangenden – Einlasskarten für das Publikum
von Strafprozessen diskutiert, vgl Mayer Salomon, Handbuch II 123; Frydmann Mar-
cell, JBl 1878, 161.
1524 Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit zum Tragen einer Waffe verpflichtet waren,
durfte der Zutritt zur Hauptverhandlung gem § 228 StPO 1873 nicht verweigert wer-
den.
1525 Vgl Mayer Salomon, Handbuch II 123.
1526 Wulf beschreibt die vom Publikum erwartete Haltung als » achtungsvolle Distanz «,
vgl Wulf Christoph in Schwarte Ludger / Wulf Christoph ( hg ), Körper 34.
1527 Verordnung des Justizministeriums vom 9. August 1897, womit für richterliche
und staatsanwaltschaftliche Beamte, sowie für die fachmännischen Laienrichter
ein Amtskleid eingeführt, beziehungsweise für die Justizbeamten das Tragen der
Uniform geregelt wird, RGBl 1897 / 187.
1528 Erlaß des Ministeriums des Inneren vom 24. August 1849, an sämtliche Länder-
chefs, womit die mit Allerhöchster Entschließung vom 21. August 1849 geneh-
migte Uniformirungs-Vorschrift für k.k. Staatsbeamte kundgemacht wird, RGBl
1849 / 377, geändert durch Verordnung des Gesammtministeriums vom 18. Jän-
ner 1885, betreffend einige Änderungen der bestehenden Uniformirungsvorschrift
für Staatsbeamte, RGBl 1885 / 5, sowie Verordnung des Gesammtministeriums
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik