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338 VIII. Hauptverhandlung und Urteil
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
hatten. Es bestand aus einem schwarzen Talar, der dem Träger fast bis
zum Knöchel reichte und den Körper » faltenreich « umhüllte, und ei-
nem Barett.1529 Das richterliche Amtskleid, als » Stück mit der Form des
Rechts bekleidete[ r ] Sitte « 1530, symbolisierte nicht nur den Herrschafts-
anspruch des Rechts,1531 es entpersonalisierte seinen Träger auch:
» Der Richter, der den Talar anlegt, ist [ … ] Träger und Vertreter der
staatlichen Macht, der persönlich der Partei ebenso fremd gegen-
übersteht, wie ein völlig Unbekannter, und diese Tatsache soll die
Tracht ihr und ihm unausgesetzt gegenwärtig erhalten. « 1532
Das Amtskleid betonte, » daß die Richter bei Ausübung ihres Amtes den
Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten des öffentlichen Le-
bens entrückt sind und unvoreingenommen ihres Amtes walten. « 1533 Bei
den Berufsrichtern hoffte man, dass sie diese Haltung verinnerlicht hat-
ten und als » selbstverständlich « ansahen. Die » erhabene Stellung des
Gerichtes und die Gleichheit aller vor dem Gericht « 1534 hing allerdings
vom 20. October 1889, womit eine neue Vorschrift über die Uniformierung der k.k.
Staatsbeamten erlassen wird, RGBl 1889 / 176. Vgl auch Hülle Werner, Richterklei-
dung, HRG, 1046. Zur Entwicklung des juristischen Gewandes in Österreich im 19.
Jahrhundert vgl Beilhack Antonia, Bekleidung als Element der Rechtsikonographi-
schen Aussage und ihre Implikation ins Recht bis zur heutigen Zeit ( 2012 ) 145 ff.
1529 Je nachdem, zu welcher von insgesamt sechs richterlichen Kategorien der Träger
gezählt wurde, waren der kragenartige Besatz des Talars und das Barett unter-
schiedlich ausgestaltet. Die Richter des Landesgerichtes gehörten zur sechsten
Kategorie, ihr Talar hatte einen kragenartigen Besatz aus Talarstoff mit einem
an beiden Rändern mit violettem Samt passepolierten, sechs Zentimeter breiten
schwarzen Samtstreifen am unteren Rand; der Rand ihres Baretts wies einen eben-
solchen, drei Zentimeter breiten schwarzen Samtstreifen auf. Die Mitglieder der
Staatsanwaltschaft trugen das gleiche Amtskleid.
1530 Jhering Rudolph von, Der Zweck im Recht II 5 ( 1916 ) 254.
1531 Im richterlichen Talar spiegelte sich aber auch die Trennung zwischen Justiz und
Verwaltung. So wurde mit der Einführung des Talars die Hoffnung verbunden,
dieses Kleidungsstück werde anders als die zuvor getragene Uniform » auch beim
gewöhnlichen Manne die Empfindung [ wecken ], daß der Richter nicht ein Organ
der Regierung, daß er Träger einer ganz anderen Organisation ist «, JBl 1897, 338.
1532 Jhering Rudolph von, Zweck II 5 255. Siehe dazu auch Legnaro Aldo / Aengenheister As-
trid, Die Aufführung von Strafrecht. Kleine Ethnographie gerichtlichen Verhan-
delns ( 1999 ) 9.
1533 JABl 1923, 17. Abzeichen durften von Richtern und Beamten ( wie etwa den Schrift-
führern ) im Dienst nicht getragen werden, davon war allerdings ab 1936 das Abzei-
chen der » Vaterländischen Front « ausgenommen. Nur am Amtskleid durfte auch
dieses Abzeichen nicht getragen werden, vgl Bundesministerium für Justiz ( hg ), Die
Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz ( Geo.) 2 ( 1937 ) 59.
1534 JABl 1923, 17.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik