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Zusammenfassung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
oder verweigerten Angeklagte in der Hauptverhandlung die Aussage,
so konnten die Protokolle des Vorverfahrens in der Hauptverhandlung
verlesen werden.
Aussagewillige Angeklagte sahen sich mit bestimmten Erwartungs-
haltungen sowohl an den Inhalt ihrer Schilderungen aber auch an ihre
Sprechleistung konfrontiert. Nur wenn sich Prozesslogiken, richterli-
che Erwartungen und die unterschiedlichen Sprachwelten der am Pro-
zess Beteiligten zur Deckung bringen ließen, konnten sich Aussagen vor
Gericht für die Angeklagten günstig auswirken. Mit welchen Schwierig-
keiten dabei nicht nur die Angeklagten, sondern auch die Organe der
Strafverfolgungsbehörden konfrontiert waren, wenn es an die Darstel-
lung und Einordnung unzüchtigen Verhaltens ging, belegen die erhal-
ten gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolle.
Das Ende der Hauptverhandlung bildete die Verkündung des ge-
fällten Urteils durch den vorsitzenden Richter. Hier zeigte sich, dass
zwischen den Entscheidungen im vereinfachten Verfahren und im Ver-
fahren vor dem Gerichtshof erster Instanz durchaus Unterschiede be-
standen. Die Anzahl der Freisprüche war im einzelrichterlichen Verfah-
ren höher, die bei Schuldsprüchen verhängte Strafdauer im Mittel etwas
niedriger als im Verfahren vor dem Schöffensenat. Wie in der österrei-
chischen Gerichtspraxis allgemein üblich wurden kurze, überwiegend
bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafen verhängt. Selbst im jugend-
gerichtlichen Verfahren kam es nur in Ausnahmefällen zu einem Frei-
spruch. Wenn es zu gewaltsamen sexuellen Übergriffen kam, nahm das
Gericht auch bei jugendlichen Beschuldigten an, dass die Strafmündig-
keit mit der prinzipiellen Fähigkeit einherging, sich – erfolgreich – zur
Wehr zu setzen. Die Periode des Austrofaschismus verzeichnete einen
Anstieg der Dauer der verhängten Strafen. Auch die Zahl der beding-
ten Verurteilungen ging zurück, anstatt auf Arreststrafen wurde wieder
vermehrt auf Kerkerstrafen erkannt. Dieser Tendenz folgten auch die
Urteile in den untersuchten Unzuchtsverfahren.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik