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Einleitung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
die sich in der im Urteil enthaltenen Erzählung nicht in dieser Form fan-
den.1691 Die strafprozessuale Ausgestaltung der Rechtsmittel schränkte
die Äußerungsmöglichkeiten der beschwerdeführenden Partei im
Rechtsmittelverfahren allerdings erheblich ein. Tatfragen ließen sich
im schöffengerichtlichen Verfahren gar nicht, im vereinfachten Verfah-
ren vor dem Einzelrichter nur bis 1926 geltend machen. Die zur Verfü-
gung stehenden Rechtsmittel erlaubten daher im Hinblick auf die im
Urteil festgestellten » Tatsachen « nicht das Vorbringen einer neuen, son-
dern lediglich einer Gegengeschichte 1692: Mit ihr konnte der vom Erst-
gericht als » wahr « festgestellte Sachverhalt zwar neu erzählt werden,
die Geschichte bezog sich aber stets auf die bereits bestehende und im
Urteil zum Ausdruck gebrachte Erzählung und schilderte die gleichen
Ereignisse. Gegengeschichten boten die Möglichkeit einer Umdeutung
und Neubewertung des Sachverhalts. Im Rahmen der Berufung war mit
ihnen die Hoffnung auf eine andere Ermessensausübung bei der Straf-
zumessung durch die höherinstanzlichen Richter verbunden. Der Um-
stand, dass gegen erstinstanzliche Entscheidungen Rechtsmittel offen-
standen, verlangte von den Richtern umgekehrt eine entsprechende
Begründung ihrer Entscheidungen.1693 In der Regel waren sie bestrebt,
Rechtsmittel und die darin geäußerte Kritik an ihren Urteilen zu ver-
meiden. Die für den Urteilsspruch angeführten Gründe sollten folglich
möglichst wenig andere Lesarten erlauben, als die vom Erstgericht ge-
wählte.1694
1691 Die Ausführung der Rechtsmittel selbst erfolgte allerdings schriftlich.
1692 Zum Begriff der » Gegenerzählung « vgl Hannken-Illjes Kati, Geschichten und Ge-
gengeschichten – Erzählen im Strafrecht, in Aumüller Matthias ( hg ), Narrativität
als Begriff. Analysen und Anwendungsbeispiele zwischen philologischer und an-
thropologischer Orientierung ( 2012 ) 281 ( insb 287 ).
1693 Auf Ebene des Strafverfahrensrechts verlangte § 270 Z 7 StPO 1873 die Angabe der
Entscheidungsgründe.
1694 Vgl dazu Lautmann Rüdiger, Justiz – Die stille Gewalt. Teilnehmende Beobachtung
und entscheidungssoziologische Analyse ( 2011 ) 92 ff; Blankenburg Erhard, Mobili-
sierung des Rechts. Eine Einführung in die Rechtssoziologie ( 1995 ) 77 f.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik