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374 IX. Rechtsmittel und Gnadengesuche
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
botenen Früchten « gemacht. H. habe seinerseits die Bemerkung gegen-
über dem Zeugen Friedrich B. wiederholt.1708 Der Oberste Gerichtshof
wies die Nichtigkeitsbeschwerde des Gustav H. ebenso zurück wie jene
des 44-jährigen Vertreters Guido C.1709 Dieser war wegen versuchter Ver-
leitung zur Unzucht wider die Natur nach §§ 9, 129 I b StG 1852 verurteilt
worden. In seiner Nichtigkeitsbeschwerde führte Guido C. an, dass der
Ausspruch des erstinstanzlichen Gerichts über seine Absicht, » einen
gleichgeschlechtlichen Verkehr [ .. ] zu erreichen «, unbegründet und da-
her der Nichtigkeitsgrund des § 281 Z 5 StPO 1873 verwirklicht sei: » Mit
demselben Rechte könnte man behaupten, ich hätte nur die Absicht ha-
ben wollen, ohne Berührung des [ Franz ] Z. vielleicht im Anblick des ent-
blössten Gliedes des [ Franz ] Z. mich selbst zu befriedigen. « 1710 Mit sei-
nem Umdeutungsversuch konnte Guido C. jedoch nicht durchdringen,
seine Gegenerzählung hatte sich zu weit von der im Urteil anerkannten
Erzählung – nämlich » dass der Angeklagte Befriedigung durch gleich-
geschlechtlichen Verkehr angestrebt hat « 1711 – entfernt. Der Oberste Ge-
richtshof erachtete die Nichtigkeitsbeschwerde daher als nicht gesetz-
mäßig ausgeführt, » weil sie bei ihren Rechtsausführungen von einem
anderen als dem im Urteil festgestellten Sachverhalt ausgeht. « 1712
Dem 24-jährigen Arbeitslosen Karl L. gelang es dagegen, den Obers-
ten Gerichtshof von einer möglichen anderen Lesart der im erstinstanz-
lichen Urteil festgestellten Geschehnisse zu überzeugen. Karl L. war
vom Landesgericht Linz wegen gleichgeschlechtlicher Unzuchtshand-
lungen an dem elfjährigen Konrad Sch. verurteilt worden. Der Oberste
Gerichtshof gab der Nichtigkeitsbeschwerde des Karl L. insofern recht,
als » ein blosses Betasten der Geschlechtsteile eines Mannes durch ei-
nen anderen, ohne daß masturbatorische Absicht festgestellt wäre, den
Tatbestand des Verbrechens nach § 129 I b StG noch nicht erschöpft. « 1713
1708 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 438, 6 Vr 1638 / 34, Nichtigkeitsbeschwerde und Beru-
fungsausführung ( undatiert ).
1709 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 438, 6 Vr 1638 / 34, Entscheidung des Obersten Gerichts-
hofs vom 8. Jänner 1935 sowie OÖLA, BG / LG Linz Sch 440, 6 Vr 1744 / 34, Entschei-
dung des Obersten Gerichtshofs vom 1. März 1935.
1710 OÖLA, BG / LG Linz Sch 440, 6 Vr 1744 / 34, Nichtigkeitsbeschwerde ( undatiert ).
1711 OÖLA, BG / LG Linz Sch 440, 6 Vr 1744 / 34, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
vom 1. März 1935.
1712 OÖLA, BG / LG Linz Sch 440, 6 Vr 1744 / 34, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
vom 1. März 1935.
1713 OÖLA, BG / LG Linz Sch 335, 6 Vr 1158 / 28, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
vom 27. November 1928.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik