Seite - 379 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Bild der Seite - 379 -
Text der Seite - 379 -
379
Berufungen an das Oberlandesgericht
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
Hinblick auf die Strafbemessung zu korrigieren, war etwas größer als im
Hinblick auf jene Umstände, die mit Hilfe der Nichtigkeitsbeschwerde
geltend gemacht werden konnten. Trotzdem waren insgesamt auch nur
wenige der von Angeklagten erhobenen Berufungen erfolgreich: In den
neun weiteren Fällen, in denen Angeklagte Berufung einlegten, leistete
der Gerichtshof zweiter Instanz dem Rechtsmittel keine Folge.
Während die Angeklagten ungefähr gleich oft zum Rechtsmittel
der Berufung wie zu jenem der Nichtigkeitsbeschwerde griffen, lag die
Anzahl der von der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die
Strafe erhobenen Berufungen mit dreizehn signifikant höher, als jene
der Nichtigkeitsbeschwerden.1732 Mit Hilfe der Berufung monierte der
Staatsanwalt zum Beispiel die Anwendung des § 13 JGG 1928 im Fall
des fünfzehnjährigen Knechtes Josef B.: Von einer Verführung des Ju-
gendlichen könne nur » das erstemal « gesprochen werden, weswegen
dieser Milderungsumstand im Hinblick auf die übrigen Unzuchtsta-
ten entfallen müsse.1733 Hinsichtlich der Verurteilung des fünfzehnjäh-
rigen Hilfsarbeiters Franz M. und des siebzehnjährigen Hilfsarbeiters
Otto N. wegen » gegenseitiger geschlechtlicher Befriedigung « in einer
städtischen Badeanstalt brachte der Staatsanwalt vor, dass die » Mei-
nung verbreitet [ sei ], dass bei Anwendung des § 13 JGG 1928 dem Täter
› nichts geschehen sei ‹. Es ist daher die Wirkung in diesem Falle sowohl
gegenüber dem Verurteilten, als auch gegenüber eventuellen zukünfti-
gen Rechtsbrechern eine rein problematische. « 1734 Während das Ober-
landesgericht der Berufung des Staatsanwaltes gegen das Urteil über
Josef B. keine Folge leistete, verlängerte es die Probezeit für Franz M.
und Otto N. von zwei auf drei Jahre.1735
1732 Hinsichtlich des Urteils, mit dem der sechzehnjährige landwirtschaftliche Dienst-
bote Ernst S. wegen Unzucht wider die Natur und Schändung zu einer fünfmo-
natigen bedingten Arreststrafe verurteilt wurde, meldete der Staatsanwalt in der
Hauptverhandlung zwar das Rechtsmittel der Berufung an, vgl OÖLA, BG / LG Linz
Sch 420, 6 Vr 2073 / 33, Hauptverhandlung vom 13. Jänner 1934, die Berufungsausfüh-
rung ist im Akt jedoch nicht enthalten. Da sich aus dem Akt auch nicht erschließen
lässt, ob es überhaupt zur Ausführung kam, ist die Berufungsanmeldung in dieser
Zählung nicht enthalten. vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 420, 6 Vr 2073 / 33, Hauptver-
handlung vom 13. Jänner 1934.
1733 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 388, 9 Vr 627 / 32, Berufungsausführung des Staatsanwal-
tes vom 6. Juni 1932.
1734 OÖLA, BG / LG Linz Sch 445, 9 Vr 246 / 35, Berufungsausführung des Staatsanwaltes
vom 21. Februar 1935.
1735 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 445, 9 Vr 246 / 35, Entscheidung des Oberlandesgerichtes
Wien vom 13. April 1935.
zurück zum
Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik