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380 IX. Rechtsmittel und Gnadengesuche
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Die in der Ära des Austrofaschismus erkennbare Tendenz zu länge-
ren und strengeren Freiheitsstrafen spiegelte sich auch beim Rechts-
mittel der Berufung wieder. Elf der dreizehn Berufungen seitens der
Staatsanwaltschaft wurden nach dem Beginn des Jahres 1934 gegen
als » zu milde « empfundene Urteilssprüche erhoben. Sie richteten sich
nicht nur gegen die Anwendung von Sonderbestimmungen des Jugend-
gerichtsgesetzes 1928, sondern etwa auch gegen die Verurteilung zu be-
dingten Freiheitsstrafen 1736 oder gegen die Verhängung von Arrest- an-
stelle von Kerkerstrafen.1737 Von den sieben Entscheidungen, in denen
das Oberlandesgericht Wien der Berufung stattgab und eine strengere
Strafe verhängte als das erstinstanzliche Gericht, entfielen fünf in die
Zeit des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes.
D. Anfechtung von Verfahrensfehlern, Schuldspruch und
Strafausmaß – Die volle Berufung im vereinfachten
Verfahren 1918–1926
Von seiner Einführung durch die Strafprozessnovelle 1918 bis zu sei-
nem Auslaufen 1926 folgte das vereinfachte Verfahren vor dem Einzel-
richter hinsichtlich der Anfechtung richterlicher Entscheidungen dem
bezirksgerichtlichen Verfahren in Übertretungsfällen. Als Rechtsmit-
tel war nach § 501 idF Strafprozessnovelle 1918 die Berufung im weite-
ren Sinne vorgesehen, die sowohl die Möglichkeiten der Nichtigkeits-
beschwerde als auch der Berufung im kollegialrichterlichen Verfahren
in sich aufnahm. Als so genannte » volle Berufung « umfasste sie neben
der Anfechtung des Urteils wegen des Vorliegens von Nichtigkeitsgrün-
den und wegen des Ausspruchs über die Strafe aber auch noch die An-
fechtung im Hinblick auf die Tat- oder Beweisfrage.1738 Wurde das Urteil
rücksichtlich des Schuldspruchs angefochten, war keine nähere Aus-
führung nötig.1739
1736 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 473, 6 Vr 500 / 36, Berufungsausführung des Staatsanwal-
tes; OÖLA, BG / LG Linz Sch 509, 6 E Vr 2033 / 37, Berufungsausführung des Staatsan-
waltes vom 20. Oktober 1937.
1737 Vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 513, 6 Vr 2682 / 37, Berufungsausführung des Staatsan-
waltes vom 8. Februar 1938.
1738 Vgl Löffler Alexander, Strafprozeßnovelle 101.
1739 Vgl Mayer Salomon, Handbuch des österreichischen Strafproceßrechtes. III. Band:
Commentar zu der Oesterreichischen Strafproceß-Ordnung vom 23. Mai 1873
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik