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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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387 Gnadengesuche Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ lautete der Schuldspruch im Fall von Alfred V. neben gleichgeschlecht- licher Unzucht nach § 129 I b StG 1852 auch noch auf Erpressung nach § 98 b StG 1852. Dies deutete Johann B. in seinem Gnadengesuch nun dahingehend, dass er mit Alfred V. das Unglück gehabt habe, » einem homosexuell veranlagten Menschen in die Hände zu fallen « 1771. Alfred V. habe ihn » zu dem Zweck verführt, um an [ ihm ] Erpressungen üben zu können. « 1772 Anders als die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Be- rufung konnten Gnadengesuche aber auch Erzählungen in sich auf- nehmen, die während der Hauptverhandlung und im Urteil nicht zur Sprache gekommen waren. Der Inhalt von Gnadengesuchen ging damit über bloße Gegengeschichten hinaus. So entwarf Johann P. von sich ein Bild als » geborener Städter «, der an seinen bisherigen Lehrstätten » bildendes Theater, wissenschaftliche Vorträge, Konzerte, Kunst- und Sammelausstellungen « genossen hatte. Seine Anstellung » in einem Dorfe «, in dem sich die unzüchtigen Handlungen schließlich ereignet hatten, habe ihn » fast bis zum Lebensüberdrusse « bedrückt.1773 Ferner kamen in den Gnadengesuchen wirtschaftliche Nöte zur Sprache, de- nen sich die Angeklagten und ihre Angehörigen durch die Verurteilung oder durch den Strafvollzug ausgesetzt sahen.1774 Gnadengesuche, die von Personen eingebracht wurden, die den Ver- urteilten nahe standen, wiesen nur selten Umdeutungsversuche der ur- teilsmäßig festgestellten » Tatsachen « auf. Sie äußerten sich stattdes- sen zum Leumund und bisherigen Lebenswandel der Angeklagten und stellten Vermutungen über die Hintergründe der inkriminierten Hand- lungen an, die die Gnadenwürdigkeit betonen sollten. Diese Schilde- rungen ließen erkennen, wie sexualwissenschaftliche » Versatzstücke « auch in die Vorstellungswelt medizinischer Laiinnen und Laien ein- flossen. Für das Gastwirtsehepaar Franz E. und Maria E. ersuchte der Vater von Franz E. um gnadenweise Strafnachsicht. Er führte die Hand- 1771 OÖLA, BG / LG Linz Sch 370, 6 Vr 319 / 31, Gnadengesuch vom 4. Juli 1934. 1772 OÖLA, BG / LG Linz Sch 370, 6 Vr 319 / 31, Gnadengesuch vom 4. Juli 1934. 1773 OÖLA, BG / LG Linz Sch 339, 6 Vr 449 / 29, Gnadengesuch vom 19. November 1929. 1774 Etwa OÖLA, BG / LG Linz Sch 314, Vr VI E 832 / 26, Gnadengesuch vom 14. Feb- ruar 1927; OÖLA, BG / LG Linz Sch 339, 6 Vr 449 / 29, Gnadengesuch vom 19. Novem- ber 1929; OÖLA, BG / LG Linz Sch 347, 9 Vr 1242 / 29, Gnadengesuch vom 29. April 1930; OÖLA, BG / LG Linz Sch 348, 12 Ce 1335 / 29, Gnadengesuch vom 17. Februar 1931. Zu den angeführten Gründen siehe auch Kesper-Biermann Sylvia, Gerechtigkeit, Poli- tik und Güte. Gnade im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in Vormbaum Thomas ( hg ), Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte. Band 13 ( 2012 ) 21 ( 39 ).
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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