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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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397 X. Schlussbetrachtung Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ » infolge ihres Berufes pervers veranlagt. « 1793 Der Topos der » lesbischen Prostituierten « schien damit andere Deutungsmuster fast vollständig zu verdrängen. » Schamlosigkeit « und » Verdorbenheit « dienten Ärzten wie auch Juristen als Erklärung für gleichgeschlechtliche Unzuchtshandlun- gen unter Frauen. Eine konträrsexuelle Veranlagung wurde selten für wahrscheinlich gehalten. » Unzüchtig handelnde « Frauen waren damit für einen Bereich, in dem das sexualwissenschaftliche Wissen auf ganz spezifische Weise Eingang in den juristischen Diskurs fand, weniger in- teressant: Die sachverständige Begutachtung » unzüchtig Handelnder « in Strafverfahren zur Beurteilung ihrer Zurechnungsfähigkeit. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Sexualwissenschaft be- gonnen, die » konträre Sexualempfindung « nicht länger als Laster, son- dern als ein eigenständiges, die gesamte Persönlichkeit prägendes Phä- nomen zu betrachten. Als Folge dieser Bedeutungsverschiebung wurde untersucht, ob sich ein Zusammenhang zwischen abweichendem Se- xualverhalten und einer geistigen Erkrankung nachweisen ließ. Die Pa- thologisierung der konträren Sexualempfindung und das verstärkte In- teresse für die Persönlichkeit der Konträrsexuellen machten aus einer forensisch-medizinischen Tatfrage ein Schuldproblem: Falls es sich bei der konträren Sexualempfindung um eine psychische Funktionsstörung, um ein » moralisches Irresein « handelte, wie manche Ärzte annahmen, stellte sich die Frage, ob konträrsexuell Veranlagte für unzüchtige Hand- lungen überhaupt verantwortliche gemacht werden konnten. Diese De- batte vollzog sich vor dem Hintergrund einer generellen Auseinanderset- zung zwischen Medizin, forensischer Psychiatrie und Jurisprudenz um die Deutungshoheit hinsichtlich der Schuldfähigkeit. Sie wurde durch den Umstand befördert, dass der Rechtswissenschaft an der Wende vom 19. Zum 20. Jahrhundert die rechtsdogmatische Differenzierung je- ner Gründe gelungen war, die den » bösen Vorsatz « ausschlossen. Man wusste nunmehr zwischen Schuldausschließungs-, Strafausschließungs-, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen zu unterscheiden. Fehlte es an der Zurechnungsfähigkeit, so lag ein zentrales Element der Schuld nicht vor. Nach Ansicht der Sexualwissenschaft wurde die freie Willens- bestimmung eines Menschen durch eine konträrsexuelle Veranlagung zwar herabgesetzt, aber nicht gänzlich ausgeschaltet. Das österreichi- sche Strafrecht wiederum erkannte nur die dauernde oder vorüberge- 1793 OÖLA, BG / LG Linz Sch 353, 12 Vr 1963 / 29, Bericht vom 23. Dezember 1929.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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