Seite - 17 - in Der grüne Kakadu
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Wirth. Es wächst bald kein Korn mehr in ganz Frankreich. Du gehst in’s
sichere Elend.
Henri. In’s Glück, Prospère. Nicht wahr, Léocadie? Wir haben oft davon
geträumt. Ich sehne mich nach dem Frieden der weiten Ebene. Ja, Prospère, in
meinen Träumen seh’ ich mich mit ihr abends über die Felder gehn, in einer
unendlichen Stille, den wunderbaren tröstlichen Himmel über uns. Ja, wir
fliehen diese schreckliche und gefährliche Stadt, der große Friede wird über
uns kommen. Nicht wahr, Léocadie, wir haben es oft geträumt.
Léocadie. Ja, wir haben es oft geträumt.
Wirth. Höre, Henri, Du solltest es Dir überlegen. Ich will Dir Deine Gage
gerne erhöhen, und Léocadie will ich ebensoviel geben als Dir.
Léocadie. Hörst Du, Henri?
Wirth. Ich weiß wahrhaftig nicht, wer Dich hier ersetzen soll. Keiner von
meinen Leuten hat so köstliche Einfälle als Du, keiner ist bei meinem
Publikum so beliebt als Du … . Geh nicht fort!
Henri. Das glaub’ ich wohl, daß mich niemand ersetzen wird.
Wirth. Bleib bei mir, Henri! Wirft Léocadie einen Blick zu, sie deutet an,
daß sie’s schon machen wird.
Henri. Und ich verspreche Dir, der Abschied wird ihnen schwer werden –
ihnen, nicht mir. Für heute – für mein letztes Auftreten hab’ ich mir ‘was
zurechtgelegt, daß es sie alle schaudern wird … . . eine Ahnung von dem
Ende ihrer Welt wird sie anwehen … . . denn das Ende ihrer Welt ist nahe. Ich
aber werd’ es nur mehr von fern erleben … . . man wird es uns draußen
erzählen, Léocadie, viele Tage später, als es geschehen … . . Aber sie werden
schaudern, sag’ ich Dir. Und Du selbst wirst sagen: So gut hat Henri nie
gespielt.
Wirth. Was wirst Du spielen? Was? Weißt Du’s, Léocadie?
Léocadie. Ich weiß ja nie etwas.
Henri. Ahnt denn irgend Einer, was für ein Künstler in mir steckt?
Wirth. Gewiß ahnt man es, drum sag’ ich ja, daß man sich mit einem
solchen Talent nicht auf’s Land vergräbt. Was für ein Unrecht an Dir! An der
Kunst!
Henri. Ich pfeife auf die Kunst. Ich will Ruhe. Du begreifst das nicht,
Prospère, Du hast nie geliebt.
Wirth. Oh! –
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Der grüne Kakadu
- Titel
- Der grüne Kakadu
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 44
- Schlagwörter
- Groteske, Wahrheit, Lüge
- Kategorien
- Weiteres Belletristik