Seite - 25 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Überragende Bedeutung räumte Adler – bei allerWertschätzung desMu-
sikhistorikers auch für andere Epochen – letztlich der „Wiener klassischen
Schule“ ein. An ihr sollten sich auch die „Modernen“ orientieren. Neben
formalästhetischen Gründen spielten bei dieser Einschätzung auch außeräs-
thetische Argumente eine Rolle. In seinemWeltbild stark von der habsburgi-
schenGesamtstaatsideologie geprägt, sah er nämlich inderMusikderKlassik
das Ideal einerVölkerverständigungmitVorbildwirkung für gesellschaftspoli-
tische Bemühungen bereits realisiert. Anlässlich der am 26. Jänner 1906 im
Festsaal derUniversitätWien stattgefundenen akademischenMozartfeier zum
150.GeburtstagdesKomponisten,beiderAdlerdieFestredehielt,führteerdazu
aus:
Sowie in denWerken der Klassiker der Tonkunst dieWeisen der österreichischen
Völkerverwobensind,wiedasMotivmaterialausdenNationalschätzengenommenist,
mitdemdieKünstler freischaltetenundwaltetenunddassiezuklassischenGebilden
verarbeiteten, so vermag eine höhere Staatskunst die Eigentümlichkeiten der ver-
schiedenen Völker zu einer höheren Einheit zu binden. Die österreichischeMusik
vermochtedies,undsoerscheint siewiedieStimmedesGewissens,wiedas seelische
UrbilddesWillens, derOesterreicheintoderbesser zueinenbestrebt ist.42
DieFeierwar vondeutschnationalenStudenten initiiert, letztlich aber vonder
gesamten Studentenschaft aufgegriffen worden. In dieser Vereinigung zum
edlen Zweck sah Adler einen möglichen Keim zur Völkerverständigung im
Großen: „Völkerverbindend!Darin liegt dasGeheimnis der Zukunft fürOes-
terreich. DieKunst kann zur Erreichung solcher Ziele […]mithelfen“.43Kon-
kretenationalistischeAuseinandersetzungenanderWienerUniversität,diebei
dieserFeiernurkurzindenHintergrundgetretenwaren,erwähntAdlernicht.Er
spricht allgemeinüber „Irrungen“unter der Studentenschaft unddeutetKon-
fliktezwischendeutschnationalenundslawischenStudentennuran,währender
antisemitischeAgitationenvollendsverschweigt.
SeineÜberzeugungvonder völkerverbindendenKraft derMusikwurde im
eineReiheseinerStudenten fürdenKompositionsunterricht vermittelteund1915zugunsten
einerBefreiungvomWehrdienstintervenierte.SiehedazuGabrieleJohannaEder:GuidoAdler.
Grenzgänger zwischenMusikwissenschaft undKulturleben. In:Musikwissenschaft als Kul-
turwissenschaft (Anm.20), S.101–123,hierS.108–114.
42 [GuidoAdler:]DieBedeutungderakademischenMozart-Feier.In:NeueFreiePresse,27.01.
1906, S. 7. Der Artikel ist zwar namentlich nicht gekennzeichnet, doch geht aus Manu-
skriptendieAutorschaftAdlerszweifelfreihervor.SiehedazuEdwardR.Reilly:ThePapers
ofGuidoAdler at theUniversity ofGeorgia: AProvisional Inventory. [Athens:University
ofGeorgia] Ms.1975, S. 12f. URL: http://purl.galileo.usg.edu/ugafax/adler, abgerufen am
23.01.2014.
43 Ebd.,S. 7.SieheauchVolkerKalisch:Diepolitisch-ideologischmotivierteMozartrezeption.
In:MozartsWeltundNachwelt.Hg.vonClaudiaMariaKnispelundGernotGruber.Laaber:
Laaber-Verlag2009 (=DasMozart-Handbuch5), S. 513–532,hierS. 515–517.
ZurPersönlichkeitGuidoAdlers 25
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur