Seite - 28 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Nur an einer Stelle lässt erKardinal FriedrichGustavPiffl (1864–1932), bis zu
seinemTod auchVorsitzender der LeitendenKommission derDenkmäler der
Tonkunst inÖsterreich, abfälligübereinen„Herr[n]L…“sprechen,demerdie
Türgewiesenhabe,nachdemdieser inintriganterAbsichtdasGesprächgesucht
hatte.55Die Erwähnung einesKardinals an dieser Stelle ist gewiss kein Zufall:
GanzoffensichtlichsahAdlerbiszuletzt inTeilenderkatholischenGeistlichkeit
Garanteneiner stabilen, von liberalenWertengetragenen,diversenNationalis-
men einen Riegel vorschiebenden Gesellschaftsordnung. Mehrfach gibt es in
seiner Autobiographie Hinweise auf entsprechende geistliche Würdenträger,
beginnendmitdemAbtdesSchottenstiftesOthmarHelferstorfer (1810–1880),
derdemjungenAdlerzueinemStipendiumamKonservatoriumverholfenhatte
undden er ausdrücklich zu seinen „Vorbilder[n] in politicis“ zählte. Auffällig
sind auch die mehrfachen Versicherungen, der katholischen Kirchenmusik
stetsgenügend Platz in seinen diversen Unternehmungen (Vierteljahrsschrift
fürMusikwissenschaft, Denkmäler der Tonkunst inÖsterreich) eingeräumt zu
haben.
Adlerhatte inder„guten“Gesellschaft,bestehendausAristokratie,höherem
BeamtentumundgeistlichenWürdenträgern,trotzinternationalenRenommees
stetsmehrRückhalt als imakademischenMilieuWiens.Amehestenpflegte er
noch freundschaftliche Beziehungen zu Naturwissenschaftlern wie Ludwig
Boltzmann (1844–1906), Julius vonHann (1839–1921), RichardWettstein von
Westersheim(1863–1931)undBertholdHatschek(1854–1941).56Überdas sich
vor allemwegen antisemitischer und deutschnationalerUmtriebe verschlech-
ternde Klima an derWiener Universität schrieb er in seiner gewohnt unbe-
stimmtenArt:
Mancheder jetzigenHochschullehrer sindmir rätselhaft – ichverstehe sienichtund
habeauchkeineLust, sienäherkennenzu lernen. SchweresGewölk ist indas akade-
mische Firmament gezogen. Es entladet sich nicht in wohltuende, segenspendende
Regengüsse, sondern in zerstörendeGewitter, diemanchenBezirkderwissenschaft-
lichenArenazerstörtundvernichtet.57
Dem1919 zumHofrat Ernannten blieb in diesemUmfeld zeitlebens ein aka-
demischesEhrenamtanderUniversitätverwehrt,ebensodieMitgliedschaftder
AkademiederWissenschaften.58
DiepolitischenEntwicklungenüberschattetensoAdlersLebensabend.„Sein“
55 Adler:WollenundWirken(Anm.1), S. 76.
56 Aus seiner Prager Zeit wären nochMach, Friedrich Jodl (1849–1914) und Stumpf zu er-
wähnen.Adler:WollenundWirken (Anm.1), S. 5. Siehe auchOthmarWessely:Vomwis-
senschaftlichenDenkenGuidoAdlers. In:MusicologicaAustriaca6 (1986), S. 7–14.
57 Adler:Wollen undWirken,Manuskriptfassung. University of Georgia (Athens), Hargrett
SpecialCollectionsLibrary,GuidoAdlerPapers,Box15,Folder5.
58 SieheAntonicek:Musikwissenschaft inWien(Anm.52), S. 191.
BarbaraBoisits28
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur