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ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
spektiv und antimodern und auch als abweisend gegenüber populärerenMu-
sikformen, zumindest abseitsderÖffnunggegenüberWalzer,WienerLiedund
Operette.7Außerdemhätte die Zunahme essentialistischer Begründungs- und
Beschreibungsmuster der „Musikstadt“ im ausgehenden 19. Jahrhundert das
antimoderne Moment zusätzlich gestärkt, so Nußbaumer. Nun dominierte
dieses antimoderne, „Alt-Wien“-basierte8 „Musikstadt“-Bild über dieMonar-
chiehinausdieFeuilletonsunddiekulturpolitischeRhetoriksowohlderErsten
Republikalsauchdes„Austrofaschismus“.9FürdenNationalsozialismuswares
darum umso attraktiver, kulturpolitisch vor der bereits etablierten und er-
probtenFolieder „Musikstadt“ zuoperieren–umsie zugleich in seinepropa-
gierteRahmenideologie einzupassen.
Es ist zunächst vor allem dieser antimoderne, retrospektive Zuschnitt, der
den„Musikstadt“-ToposfürkulturpolitischeKonzeptedesNationalsozialismus
buchstäblich anschlussfähigmachte. So krude undmitunter widersprüchlich
die Leitkonzepte einer ideologisch „adäquaten“ Kunstpolitik im Nationalso-
zialismus waren, lassen sie sich – abseits des antisemitisch und rassistisch
ausgerichteten Grundkonsenses – zumindest in einer Hinsicht auf einen ge-
meinsamenNenner bringen: sie gehorchten einer vulgärästhetischenVorstel-
lung, die aus Restbeständen der Kunstsemantik des 19. Jahrhunderts zusam-
mengekleistertwarundderenKursHitlersKunstrhetorikvorgab.10
Auf dieMusik übertragen lässt sich dies an den „ZehnGrundsätzen deut-
schenMusikschaffens“ erläutern,dieGoebbels in einerkulturpolitischenRede
anlässlichderReichsmusiktage1938inDüsseldorfverkündete.11Nirgendwo,so
7 Nußbaumer:Musikstadt (Anm.4), S. 357.
8 Zur historischen Bedeutung der „Alt-Wien“-Rhetorik vgl. etwa Alt-Wien. Die Stadt, die
niemalswar.Hg. vonWolfgangKosundChristianRapp. 2.,überarb.Aufl.Wien:Czernin
2005.Darin:DieNostalgiefalle.WolfgangKosundChristianRapp imGesprächmit Franz
JuliusManderle,S. 10–19.„Alt-Wien“seiwenigereingenauerBegriff, sondernvielmehrein
„Mythos“,welcherbesage,dassWien„aufgeradezuvirtuoseWeiseSpureneinerangeblich
,gutenaltenZeit‘ insichgespeichert“habe;esgebenichtbloß„ein,Alt-Wien‘“, jedeEpoche
habe ihr eigenes gehabt.DieArgumente der „Alt-Wien“-Diskussionenhätten auf die kür-
zeste Formel gebracht stets gelautet: „Werdemoliert undmodernisiert, ist brutal undzer-
störtdieSeelederStadt.“
9 Dass das antimoderne „Musikstadt“-Bild auch in der Ersten Republik und im „Austrofa-
schismus“ dominierte, heißt jedoch nicht, dass diesbezüglich keinerlei Mehrstimmigkeit
geherrschthätte.Vgl.Mayer-Hirzberger: „Volk“ (Anm.6), S. 243.
10 Vgl. etwaGeorg Bollenbeck: Das unrühmliche Ende einer widersprüchlichenGeschichte.
Hitler als ExekutorderbildungsbürgerlichenKunstsemantik? In:Historismus, Sonderweg
unddritteWege.Hg. vonG8rardRaulet. Frankfurt/Main: Lang 2001 (= Schriften zur po-
litischenKulturderWeimarerRepublik5), S. 311–327,hierS. 327.
11 JosephGoebbels:ZehnGrundsätzedeutschenMusikschaffens. In:AmtlicheMitteilungen
derReichsmusikkammer 5 (1938),Nr. 11, 1.06.1938. Zit. in:VolkerKalisch: Perversion
undWürgegriff. Musik imNationalsozialismus. In: Musik –Macht – Staat. Kulturelle,
FritzTrümpi34
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur