Seite - 41 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
ImGegensatzzum„Austrofaschismus“solltedie„Musikstadt“ihreVermittlung
zur deutschen Kunst im Nationalsozialismus nicht mehr über ein wie auch
immer projiziertesÖsterreich beziehen (dieses war ja nach dem „Anschluss“
ohnehin in diverse Reichsgaue aufgelöst worden), sondern überWien selbst.
Dies machte es jedoch notwendig, die Stadt umso stärker als eigenständige
Entität herauszustellen. Damit zusammenhängend galt es, demNationalsozia-
lismuseinemöglichstwienerischeGestaltzuverleihen,alleineschon,damitsich
das traditionelle Spannungsverhältnis zwischenÖsterreich und Preußen, das
sich inderWienerBevölkerungnacheinerkurzzeitigen„Anschluss“-Euphorie
baldwieder als antideutsches Ressentiment zu äußern pflegte,möglichst ent-
schärfe.47Das traditionelle Integrationsvehikel „Musikstadt“ eignete sich bes-
tensdazu.
Außerdemdürftedasbesondere InteresseBerlinsanWiens„Verwienerung“
nicht zuletzt imUmstandbegründetgewesen sein, dassDeutschlandkriegsbe-
dingt einer möglichst ausgeprägten Projektionsfläche für entspannte Unter-
haltungvoreiner feierlichenwiegemütlichenKulissebedurfte.Die„Alt-Wien“-
basierte „Musikstadt“ konnte auchhier als ideale Schablonedienen, undSchi-
rach sowie seineWienerKulturfunktionäre nutzten sie entsprechend intensiv.
Dennoch war Wiens „Musikstadt“-Propaganda Goebbels zunehmend ein
Dorn imAugeund sie rief schließlich sogarHitler auf denPlan. Im Juni 1943
machtederPropagandaminister in seinemTagebuchNotiz voneinerAusspra-
chezwischenSchirachundHitler,beiderGoebbelsoffensichtlichauchzugegen
war–Themawardie „MusikstadtWien“.Wiensei zwar, soHitler inGoebbels’
Wiedergabe,eineschöneMusikstadt,aber trotzdemhabeWiennichtdasRecht,
sichalsersteMusikstadtdesReicheszubezeichnen;denndiemeistenMusiker,
die inWien tätig gewesen seien, seienkeineWiener gewesen, und imÜbrigen
hätten dieWiener sie zu ihren Lebzeitenmeistens schlecht behandelt, um sie
nachihremTodefürsichzureklamieren.MitWienalspolitischemFaktorhabe
diesnichtszutun.48GoebbelsstimmteindieKritikeinundprangerteSchirachs
„Musikstadt“-Propagandaan:
Ichhabevor,Berlin jetzt stärker indenBlickpunktderÖffentlichkeithineinzustellen.
Esistunbedingtnotwendig,daWienaufderanderenSeiteeineaufdieNervenfallende
Propagandafür,wiedieWienersagen,die„StadtderdeutschenMusik“betreibt.Aber
47 So betonte etwa Gerhard Scheit, Schirachs Wienpolitik sei es gelungen, den „,Piefke‘-
Überdruss“derÖsterreicherimInteressedesReichesproduktivzumachen.GerhardScheit:
Musik-StandortWienimDrittenReich.RegionaleBeiträgezurÄsthetikderVernichtung.In:
Die „österreichische“ nationalsozialistischeÄsthetik. Hg. von Ilija Dürhammer und Pia
Janke.Wien,Köln,Weimar:Böhlau2003, S. 221–234,hierS. 222.
48 DieTagebücher vonJosephGoebbels (Anm.2),Teil II,Diktate1941–1945.Bd.8.München
u.a.: Saur1993, S. 539 (Eintragvom25.06.1943).
„MusikstadtWien“-Toposals Instrument 41
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur