Seite - 50 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Anfangder1980er Jahrebliebmitder auch inderTagespressewahrgenomme-
nenAufregungumdieEinladungdesmitdemNationalsozialismusweitgehend
kooperierenden Musikwissenschaftlers Wolfgang Boetticher (1914–2002) zu
einerMendelssohn-Schuhmann-KonferenzindenUSAeinweitererHinweisauf
dieNotwendigkeit einergründlichenAuseinandersetzungungenutzt.17
DieGründefürdieverzögerteBeschäftigungmitdereigenenFachgeschichte
sind sicher vielfältig.Etwas spekulativ,wennauchalsAnregungdurchauspro-
duktivsinddievonLudwigFinscher skizziertenThesenüber1)einekollektive
Nachkriegs-Mentalität derVerdrängung einer schwer erträglichenVergangen-
heit,über2)dieteilweiseunmittelbareBetroffenheitderälterenGenerationoder
3)überdieZurückhaltungder folgendenGeneration,diezurEntwicklungihrer
eigenenKarrierenauf ihreLehrerangewiesenwar.18
Auffällig ist jedenfalls, dass die Auseinandersetzungmit derMusikwissen-
schaft erst im Zuge der Auseinandersetzung der Universitäten und deren
Fachbereichemit ihreneigenenVerstrickungenindasNS-Systemeinsetzteund
nichtausderAuseinandersetzungmitdemGegenstandderMusikwissenschaft,
alsoderMusik selbstundderenRolle imNS-Staat resultierte.19DiesemAspekt
wurde schonwesentlich früherAufmerksamkeit gewidmet, wie die bereits er-
wähnte Dokumentation JosefWulfs von 1963 illustriert. Die dort unternom-
menen Versuche, die Musikwissenschaft als Bereich des kulturellen Raumes
„Musik“ in die Auseinandersetzungmit der nationalsozialistischenDeforma-
tiondiesesRaumeszu integrieren, erfuhren,wieebenskizziert, zunächstkeine
Fortsetzung. Angesichts der weitaus größeren Relevanz derMusik im gesell-
schaftlichenLebenunddesUmstandes, dassdieMusikwissenschaft nebenan-
deren auch nur ein (wohl nicht einmal der am stärksten rezipierte) Beiträger
zumDiskursüberMusik ist,wärezuüberlegen,obdieZurückhaltung, sichmit
derMusikwissenschaft imNationalsozialismus zubefassen, auchmit demge-
ringengesellschaftlichenResonanzpotential zusammenhängenkönnte.
DesWeiterenistauchnochdieZugänglichkeitvonQuelleneinFaktor,derdie
historischeForschung zudenBiographienBetroffener einschränkenoder ver-
ContemporaryHistory10 (1975)Nr.4, S. 649–665, undMichaelMeyer:Musicology in the
ThirdReich.AGapinHistoricalStudies.In:EuropeanHistoryQuaterly8(1978),S. 349–364.
17 Vgl.PamelaM.Potter:MusicologyunderHitler. In: Journalof theAmericanMusicological
Society 49 (1996),Nr. 1, S. 70–71.
18 Ludwig Finscher: Musikwissenschaft undNationalsozialismus. Bemerkungen zum Stand
derDiskussion. In: Foerster/Mahling/Hust (Hg.):Musikforschung – Faschismus –Natio-
nalsozialismus(Anm.4), S. 1–7,hierS. 2.
19 Zu diesemBereich gibt es eine ungleich größere Zahl an Publikationen, sowohl inÜber-
blicken, als auch in Spezialuntersuchungen. Z.B. Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat.
Frankfurt amMain: Fischer-Taschenbuch-Verlag 1982;MichaelKater: TheTwistedMuse.
MusiciansandtheirmusicintheThirdReich.NewYork[u.a.]:OxfordUniv.Press1997,um
nurzweider sehrbreit rezipiertenÜberblicksdarstellungenzunennen.
ClemensZoidl50
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur