Seite - 81 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Ein letzter Punkt, der gewiss dasAdler-Bildnicht verändert, abermirdoch
bedenkenswert scheint: Ihren ganz ausgesprochenen Löwenanteil hat Adlers
Bibliothek inderhistorischenMusikwissenschaft undhierwiederum in jenen
Themen, die ihm von seiner Sozialisation her nahe stehenmussten undmit
denenersichauchwissenschaftlichauseinandergesetzthat–dieWienerKlassik
vor allem, doch auch Schubert, Brahms, Bruckner, Mahler und als einziger
KomponistohneausgeprägtenWienbezugRichardWagner.Zukeinenanderen
Komponisten sammelt Adler, der Verächter der Biographik, soviel biographi-
scheLiteratur,Briefausgabenu.a.wie zudiesen.
Nicht weiter bemerkenswert, könnte man meinen. Das entspricht Adlers
Forschungsschwerpunkten, undderdeutschösterreichischeKanonvon Instru-
mentalkomponistenspiegeltüberdiesseineSozialisationalsbildungsbeflissener
und musikalischer Aufsteiger ins Wiener Großbürgertum wider; auch die
Wagner-Verehrungwar jaganzundgar typischundspielt inAdlersLebeneine
beherrschendeRolle, auchabgesehenvonseinerWagner-Monographie.
Frappierendwird dieser Befund denn auch erst, wennman ihn gegen den
berühmten Entwurf überUmfang, Methoden und Ziel derMusikwissenschaft
hält, den Adler als Prager Antrittsvorlesung 1885 hielt und sogleich in der
VierteljahrsschriftfürMusikwissenschaftveröffentlichte,einEntwurf,derunser
Fachnachhaltig geprägt hat.Hier stellt ja Adler dieHistorischeMusikwissen-
schaftderSystematischengegenüber,welchletztererunterPunktB.dieAufgabe
der„AesthetikderTonkunst“unddamitdie„VergleichungundWerthschätzung
der Gesetze und deren Relation mit den appercipirenden Subjecten behufs
FeststellungderKriterien desmusikalisch Schönen“.53Ebenso szientifisch,wie
dieseFormulierungklingt, istsieauchgemeint:AdlersKonzeptioneinerMusik-
Wissenschaftwar,wienamentlichBarbaraBoisitswiederholtbetonthat,stärker
naturwissenschaftlich als geistes-, kultur- oder kunstwissenschaftlich geprägt;
alsdiewichtigsteAufgabederMusikwissenschaftgalt ihmdie„Fixirungder für
die einzelnenZweigederKunst geltendenhöchstenGesetze“.54Nichtsdestowe-
niger huldigteAdler in seinenForschungsschwerpunkten–undoffenbar auch
seinenpersönlichenmusikalischenVorlieben – einemganzundgar bildungs-
bürgerlichen,starkvonWiengeprägtenKanon.Auchdiesversuchteer inseiner
53 GuidoAdler:Umfang,MethodeundZielderMusikwissenschaft. In:Vierteljahrsschrift für
Musikwissenschaft 1 (1885), S. 5–20,hierS. 17.
54 Ebd.,S. 19(imOriginalgesperrt).DiesgiltauchundnamentlichfürdenhistorischenTeilder
Musikwissenschaft: „Den höchsten Rang nimmt […] die Erforschung der Kunstgesetze
verschiedener Zeiten ein; diese ist der eigentlicheKernpunkt allermusikhistorischenAr-
beit.“ (S. 9). Vgl. zuletzt Barbara Boisits. Historisch/systematisch/ethnologisch: die
(Un-)OrdnungdermusikalischenWissenschaft gesternundheute. In:MicheleCalellaund
Nikolaus Urbanek (Hg.): Historische Musikwissenschaft. Grundlagen und Perspektiven.
Stuttgart,Weimar:Metzler2013, S. 35–55.
GuidoAdlersBibliothekalswissenschaftsgeschichtlichesDokument 81
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur