Seite - 113 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Erich Schenknutzte das Schreiben inderNachkriegszeit jedenfalls als Beweis
dafür,keinerleiVerfehlungengegenüberderFamilieAdlerschuldigzusein,und
führte, sich rechtfertigend, später aus:
Ich darf betonen, dass ich nicht nur niemals eine feindlicheHandlung gegenHofrat
AdleroderseineFamilieunternommensondernimGegenteildasMenschenmöglichste
unternommenhabe, um ihnvorder ihnbedrohendenVerschleppungnachPolen zu
bewahren. Ich habe seinemRechtsanwalt ein Gutachten zur Verfügung gestellt, das
darauf hinwieswelchbedenklichenEindruckesmachenwürde, einenGelehrtenvom
internationalenAnsehenGuidoAdlers derMitgliedmehrerer ausländischer Akade-
mienwar, nach Polen zu verschleppen. Der Erfolg dieses Schreibens, das, wie jeder
unbefangenUrteilende zugebenwird, in derdamaligen Situation ein großes persön-
lichesRisiko fürmichbedeutete, hatHofratAdler tatsächlichvorderVerschleppung
nachPolenbewahrt, sodasserahnungslos,vonwelchenGefahrenerbedrohtwar,bis
zuseinemfriedlichenHeimgang inWienverbleibenkonnte.121
Dabei überging er stillschweigend die Mitwirkung Leopold Nowaks122 beim
Verfassen des Gutachtens. Nowak dazu: „Aus meiner Studienzeit bei Adler
wußte ichübermancheEinzelheitenbesserBescheidalsSchenk.“123Wesentlich
dabei ist, dass derDankesbriefkurznachdemTodGuidoAdlers entstandund
daherspätereEreignissegarnichtdarinberücksichtigtseinkonnten.124Mitdem
TodGuidoAdlersändertesichdasVerhaltengegenüberMelanieAdlervonallen
Beteiligten, dennMelanie Adler hatte via Ficker Verkaufskontakte zur Mün-
chener Stadtbibliothek geknüpft. Aber die Bibliothek und denNachlass ihres
VaterswolltenallezuihrerVerfügungbehalten.Deutlichersichtlichistdiesetwa
inderNachkriegszeugenaussage vonLeopoldNowak: „NachdemTodeAdlers
bestanddieGefahr, daß seineBibliothek zerstreutwerde. Schenkgriff hier ein
121 ÖStA,AdR,BMU,PASchenk,Fol. 87, SchreibenSchenkanSkrbensky, 26.8.1946.
122 Leopold Nowak (1904–1991), der ebenfalls Musikwissenschaften bei Guido Adler und
RobertLachanderUniversitätWiensowieKlavierundOrgelanderUniversität fürMusik
unddarstellendeKunstWien studiert hatte. Von1928bis 1939war erAssistent desMu-
sikwissenschaftlichen Seminars derUniversitätWien sowie für die Bibliothek zuständig,
1932 Privatdozent, 1939 titulierter außerordentlicher Professor, Ende 1941 bis 1945
Wehrdienst, ab 1946 (alsNachfolger vonRobertHaas)DirektorderMusiksammlungder
ÖsterreichischenNationalbibliothek, Jänner 1968 interimistischer Leiter derÖNB (ÖNB
Archiv,PALeopoldNowakundÖStA,AdR,BMU,PALeopoldNowak). Inderpolitischen
Beurteilung im Gauakt wird Nowak als „katholisch eingestellt“, aber den „politischen
Katholizismus“währendder„Systemzeit“ablehnend,charakterisiert.SowohlRobertLach
als auch Erich Schenk, der bei einer erneuten Anfrage des Amts Musik der NSDAP
Reichsleitung am 5.April 1943 vonGerigk als „zu unseremMitarbeiterkreis“ gehörend
bezeichnet wird, stehen dabei positiv zu Nowak (ÖStA, AdR, BMI, GA 85.935, Leopold
Nowak).
123 ÖStA,AdR,BMU,PASchenk,Fol. 95–96,SchreibenLeopoldNowakanOberkommissärDr.
Haertel, 18.10.1946.
124 Hall undKöstner datieren den Brief irrtümlich bereits vor den TodGuidoAdlers. Hall/
Köstner:Nationalbibliothek (Anm.2), S. 298.
RaubundRückgabederBibliothekunddesNachlassesGuidoAdlers 113
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur