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60 Die Rebe. — Lotus, Papyrus und Palmen.
3. Frühgotisches Rebenomament. Aus der Kirche Notre - Dame in
Paris. (Li^vre.)
4. Renaissance-Rebenomament. Fragment einer italienischen Pilaster-
füllung.
5. Renaissance-Rebenornament. Teil eines Frieses. Venedig. 16. Jahrü.
(Gruner.)
Lotus, Papyrus und Palmen. (Tafel 31.)
Der Lotus und der Papyrus sind altorientalische Kultur-
pflanzen, die im Völkerleben der Ägj-pter, Inder, Assyrer u. s. w. eine
bedeutende Rolle spielten. Die getrockneten Halme dieser Wasser-
gewächse dienten al Brennmaterial und zur Herstellung von Matten
und anderen Flechtwerken, ihre Wurzeln als Nahrungsmittel, das
Mark der Schäfte als Lampendocht. Aus dem Papyrus wurde das
Papier der Alten gefertigt. Hieraus erklärt sich ihre Verwendung in
der omamentalen Kunst der genannten Völker, die im ägyptischen
Stile eine sehr ausgebige ist. Löffel und andere Geräte erhalten die
Form von Lotusblumen und -Kelchen; das Säulenkapitäl ahmt die
Lotusblume oder -Knospe nach, der Säulenschaft gleicht einem um-
schnürten Bündel von Halmen; die Säulenbasis erinnert an die
Wurzelblätter diese Wasserpflanzen; die Wandmalerei benutzt Lotus-
und Papyrus-Motive in umfassendster Weise. — Der Lotus war dem
Osiris und der Isis geheiligt und galt als Symbol der wiederkehrenden
Befhichtung des Landes durch den Nil und in höherem Sinne als
Sinnbild der Unsteblichkeit.
Das Geschlecht der Palmen, im Orient und im Süden Europas
nur wenige Vertreter aufweisend, spielt in der omamentalen Kunst
insofem eine Rolle, als Palmzweige für die Bildung der sog. Palmetten
mafsgebend gewesen sein dürften. Palmblätter oder Palmzweige fanden
beim Einzug der Könige in Jemsalem, bei den Osirisfesten in Ägypten,
bei den olympischen Spielen Griechenlands und bei den Triumph-
zügen des alten Roms ihre Verwendung. Sie galten als Zeichen des
Sieges und als Zeichen des Friedens. Mit Beziehung auf die letztere
Bedeutung sind die Palmen in den christlichen Kultus mit herüber-
gebracht — Omamentale Anwendung finden die Palmblätter in der
Periode der Spätrenaissance und den ihr folgenden Stilen bis auf den
heutigen Tag. Die symbolische Bedeutung im höheren Sinne als
Zeichen des ewigen Friedens räumt dem Palmwedel in der modemen
Kirnst Platz ein auf Grabdenkmälem und ähnlichen Monumenten.
Ihrer dekorativen Wirkung wegen sind getrocknete Palmwedel neben
Gräserbüscheln u. s. w. im dermaligen Ausstattungswesen künstlerisch
durchgeführter Räume in Mode.
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur