Seite - 330 - in Handbuch der Ornamentik - Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
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330 Grundformen der Gefäfse.
gehalten wird, sondern dafs ein ganz bestimmter Zug vorherrscht, von
derselben abzuweichen, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung.
Gefäfse, die nicht auf der Drehscheibe erzeugt werden, weisen
öfters ganz willkürliche, nicht in das Schema unserer Tafel einzu-
reihende Formen auf. So sind z. B. im chinesischen und japanischen
Stil prismatische 4kantige Gefäfse sehr häufig (vergl. Taf. 187. i); so
finden sich schon in der Antike menschliche und tierische Gestaltungen
als Gefäfsgrundform. (Vergl. Taf. 194. 12.)
Nicht nur durch Verschmelzung der Grundform mit dem Hals
und Fufs entsteht eine Reihe neuer Formen; verschiedene Grundformen
unter sich schon können durch Vereinigung neue Kombinationen
bilden, als deren einfachste etwa die Glocken- und die Birnform
erwähnt sein mögen. Die sog. Wurstkrüge, die linsenförmigen Feld-
flaschen u. a. m. bilden ebenfalls besondere, seltener vorkommende
Formgruppen. Hier möge auch der gekuppelten Gefäfse gedacht
sein, die durch direkte Anreihung einzelner Gefäfse auf gemein-
samem Fufs oder durch die Verbindung solcher durch gemeinsame
Henkel u. s. w. entstehen, wie sie sich schon in der prähistorischen
Zeit und später überall vereinzelt finden.
Was den Fufs der Gefäfse betrifft, so ist zu bemerken, dafs in
der frühesten Zeit fufslose und dreifüfsige Gefäfse nicht selten sind;
erstere wurden in die Erde eingegraben, letztere ermöglichten ein
sicheres Stehen auch auf unebenem Boden. Der gewöhnliche Ge-
fäfsfufs setzt ebene Standflächen und gleichzeitig schon eine gewisse
Kultur voraus. Ein Mittelglied zwischen der Fufslosigkeit und dem
eigentlichen ausgesprochenen, sog. hohen Fufs ist der Ringfufs,
gebildet durch einen am Unter-Ende des Gefäfses herumlaufenden
Wulst oder profilierten Kreisring. Er verdankt seine Entstehung
offenbar dem ursprünglichen Gebrauche, fufslose Gefäfse in ringförmige
oder hyperboloidische Untersätze einzustellen, die dann später mit
dem Gefäss selbst in eins verschmolzen wurden. Die Dekoration
des Fufses tritt im allgemeinen gegen die des Körpers zurück und
nimmt einfache Pflanzenmotive, Kanneluren etc. auf.
Die Halsbildung benutzt zylindrische, konische und hyper-
boloidische Formen je nach dem Zweck des Gefäfses. Da das Aus-
giefsen aus einer engen, das Einfüllen in eine weite Öffnung sich
praktisch erweist, entstanden trichterförmige Hälse, die beiden Be-
dingungen gleich gut genügen sollen. Die stilgemäfseste Verzierung
des Halses wird die sein, welche an der stärksten Einengung ein
neutrales Band herumführt, von dem aus sich nach oben und unten
die Dekorationsmotive entfalten.
Der Ausgufsrand oder die Gefäfslippe ist entweder ausge-
bogen, eingebogen oder gerade (letzteres speziell, wenn das Ge-
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Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur