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Bett und Wiege. 499
(Taf. 259. i), mit Kopf- und Fufslehne (Taf. 259. 4), wobei die letztere
meist niedriger als jene, und solche mit Kopf-, Fufs-, und Rücklehne,
ähnlich dem modernen Sofa (Taf. 250. 2). Als Material dienen Holz
und Metall, wohl auch edlere Stoffe, Elfenbein etc., wie sich aus den
Funden in Pompeji ergiebt.
Auf derselben Grundidee beruhen die Bettstellen des früheren
Mittelalters, die, vnter byzantinischem Einflufs entstanden, reich
verzierte, gedrehte Pfosten und geschnitzte Zargen zeigen. Die vordere
Zarge erhält häufig eine Öffnung zum Einsteigen (Fig. 5 u. 6). Auch
Bettstellen aus Metallstäben, mit reichen Kissen belegt, sind um diese
Zeit nicht selten. Später tritt zum Bett der baldachinartige Behang,
an besonderen, an der Wand befestigten Stangen aufgehängt. Die
Renaissance vergröfsert die Bettstelle zum sog. Familienbett, setzt
dasselbe auf Podien, erhöht die Kopfwand und führt die Füfse nach
oben weiter zur Aufnahme einer Verdachung, eines Betthimmels, der
durch Draperien und Vorhänge geschmückt wird. Aus dieser Zeit
sind sehr hübsche Exemplare vorhanden (Taf. 260. i u. 2). Zur Zeit
des Barocko und Rokoko nimmt das Stoffliche überhand, die Holz-
gestelle treten zurück. Es entstehen die sog. Paradebetten, von denen
Fig. 3 auf Taf. 260 eines zeigt.
Unsere moderne Zeit hat die Betten im allgemeinen wieder ver-
einfacht. Die gebräuchlichste Form ist diejenige mit hoher Fufs- und
Kopfwand (die letztere oft überhöht) und niedrigen Längszargen. Die
Betthimmel sind, wenigstens in Deutschland, nahezu aufser Mode.
Die Wiege scheint eine Erfindung des Mittelalters zu sein. Die
kleinen kästen- oder muldenartigen Bettstellen wurden vermittelst
Zapfen in ein Gestell eingehängt und waren in diesem beweglich.
Oder die Bettstelle wurde anstatt auf Füfse auf gebogene Unterhölzer
gestellt, wodurch ein Schaukeln ermöglicht wurde (Taf. 259. 8 u. 9)
Ähnlich sind die Wiegen der Renaissance, oft mit erhöhten Stirn-
wänden und reicher Schnitzerei. Auf Grund von Einwendungen ärzt-
licherseits sind die Wiegen neuerdings ziemlich aufser Gebrauch ge-
kommen. Hin und wieder sieht man noch Wiegen aus Metallstäben,
die Bettstelle korbartig, das Gestell am Kopfende erhöht zur An-
bringung von Vorhängen. In den meisten Fällen ersetzt der fahrbare
Kinderwagen die Wiege.
Tafel 259.
1. Ägyptisches Bett nach Mdnard et Sauvageot.
2. Ägyptisches Feldbett zum Zusammenfalten.
3 Griechisches Bett nach einer Vasenmalerei. (Mönard et Sauvageot.)
4 Römisches Bett nach einer Vasenmalerei in Pompeji. (Mönard et
Sauvageot.)
5. Mittelalterliches Bett nach einem Manuskript des 13. Jahrhunderts
(Viollet-le-Duc.)
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Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur